Vielen dürften es aus der Werbung kennen: „Acetylcystein gegen Husten“ wird meist in Form von Brausetabletten oder Säften eingesetzt, um den Schleim in der Lunge zu verflüssigen und so das Abhusten zu erleichtern. Doch dieser Wirkstoff kann offenbar noch weit mehr: Neuere Studien zeigen, dass er auch Patienten mit schweren chronischen Lungenerkrankungen, wie zum Beispiel Fibrose , helfen kann. Atemstörungen, Atemnot sowie typische, durch den Arzt erfassbare Geräusche beim Einatmen sind die Folge dieser Erkrankung. Oft führen Fibrosen zum Tod: Die mittlere Lebenserwartung nach Diagnosestellung liegt bei etwa drei Jahren. Ein Großteil der Patienten ist über 50 Jahre alt, Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
Effektiv wirksam gegen Oxidanzien
Bisher eingesetzte Medikamente zur Behandlung von Lungenfibrose seien nur wenig wirksam oder noch nicht durch fundierte Studien überprüft, warnte Mitte Februar das Deutsche Grüne Kreuz (DGK). Allerdings weiß man schon seit längerem, dass in den Lungen von IPF-Patienten vermehrt gefährliche Oxidantien gebildet werden. Diese aggressiven Sauerstoffmoleküle fördern sowohl Entzündungsreaktionen als auch den Umbau des Lungengewebes. Andererseits ist auch bekannt, dass unser Organismus über einen der stärksten Gegenspieler von Oxidanzien verfügt – nämlich die körpereigene Substanz Glutathion. Genauso wie die natürliche Aminosäure Cystein kann auch N-Acetylcystein als Baustein für die Bildung von Glutathion verwendet werden. So konnte vor mehreren Jahren bereits gezeigt werden, dass große Mengen von N-Acetylcystein in der Lage sind, die Bildung von Glutathion und damit von Anti-Oxidantien bei IPF-Patienten zu steigern.
Verbessert deutlich die Lungenfunktion
Kürzlich nun wurden im Fachmagazin New England Journal of Medicine die Ergebnisse einer großen internationalen Studie veröffentlicht, bei der N-Acetylcystein an 155 Lungenfibrose-Patienten getestet wurde (IFIGENIA-Studie). Die Versuchspersonen erhielten während eines Jahres täglich 1,8 Gramm des Medikaments zusätzlich zu weiteren Medikamenten. Dies entspricht etwa der dreifachen Menge, die bei normalen Erkältungen eingesetzt wird. Bereits nach sechs Monaten verbesserte sich die Lungenfunktion der Patienten, die den Schleimlöser erhalten hatten, deutlich im Vergleich zu Patienten einer Kontrollgruppe. Die gewählte hohe Dosis, die von den Behörden derzeit noch nicht offiziell zugelassen ist, wurde gleich gut vertragen wie das Scheinmedikament. Aufgrund dieser bemerkenswerten Ergebnisse empfehlen Lungenfachärzte in Deutschland und anderen europäischen Ländern Schleimlöser als sinnvolle Zusatztherapie bei Lungenfibrose.
Auch gegen Mukoviszidose oder COPD wirksam
Das zu beobachtende Ungleichgewicht zwischen Oxidantien und Anti-Oxidantien spielt auch eine entscheidende Rolle bei anderen Lungenkrankheiten wie der Mukoviszidose und der wesentlich häufigeren chronisch-obstruktiven Bronchitis (COPD), von der hauptsächlich langjährige Raucher betroffen sind. N-Acetylcystein-Präparate werden hier zwar schon seit einigen Jahren eingesetzt, allerdings in geringeren Dosierungen als in der IFIGENIA-Studie. Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, ob auch bei diesen Lungenkrankheiten eine Dosiserhöhung die Wirksamkeit noch steigern kann.
Quellen:
- Pressemitteilung Deutsches Grünes Kreuz e.V. vom 16.2.06
- New England Journal of Medicine (2005), Vol. 353(21), Seite 2229-2242: Zusammenfassung