Für die Betreuung von Menschen mit Schlafstörungen ist die Klassifizierung von Schlafstadien eine wichtige Grundlage. Forschende von Salzburg Research und der Universität Salzburg haben verschiedene maschinelle Lernansätze für die Klassifizierung von Schlafstadien auf der Grundlage von Intervall- und Atmungsdaten analysiert (siehe Behaviormetrika, online seit 18.5.2023). Die Daten für die entwickelten Modelle können mit kostengünstigen Sensorsystemen erhoben werden. Dadurch wird eine Datenerfassung zu Hause möglich, um klinische Schlaflabore zu entlasten.
Schlaf spielt eine entscheidende Rolle für unseren Organismus und ist für unser körperliches und seelisches Wohlbefinden unerlässlich. Ein nicht erholsamer Schlaf wird mit Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Funktionsbereichen in Verbindung gebracht, was zu massiven sozioökonomischen Belastungen führt. Alarmierend ist, dass allgemeine Schlafstörungen weit verbreitet sind und etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung davon betroffen ist.
Der Verbreitung von Schlafstörungen steht jedoch ein erheblicher Mangel an qualifizierten Schlaflaboren gegenüber, was oft zu Verzögerungen bei der Diagnose führt. In Schlaflaboren wird der Schlaf auf der Grundlage der Polysomnographie (PSG) gemessen und von Expertinnen und Experten in verschiedene Schlafstadien eingeteilt – ein personalintensiver, zeitaufwendiger und teurer Prozess.
Neue, kostengünstige Messtechnologien und automatisierte Schlafbewertungsroutinen können helfen, den weit verbreiteten Schlafproblemen in modernen Gesellschaften zu begegnen. Die Forschenden von Salzburg Research und der Universität Salzburg haben nun die Generalisierbarkeit von Ansätzen des maschinellen Lernens zur Klassifizierung von Schlafstadien analysiert.
„Wir haben drei verschiedene Modelle zur Klassifizierung von Schlafstadien mit einem frei verfügbaren Forschungsdatensatz trainiert. Anschließend wurde dieser Datensatz und ein neuer, selbst aufgezeichneter Testdatensatz automatisiert durch die Modelle in Schlafstadien klassifiziert, um die Generalisierbarkeit der Modelle auf andere Datensätze mit anderen Merkmalen wie beispielsweise Alter oder Geschlecht zu analysieren“, berichtet Stefan Kranzinger, Data Scientist bei dem auf Datenanalyse spezialisierten Forschungsinstitut Salzburg Research. „Es ist wichtig, die Modelle mit verschiedenen Datensätzen zu evaluieren, um Verzerrungen zu verringern und den leistungsfähigsten Ansatz ermitteln zu können.“
Während des Schlafes verändern sich grundlegende physiologische Signale wie die Herzfrequenzvariabilität (HRV) und die Atmungsfrequenz, sodass der Schlaf allein anhand dieser Signale zuverlässig in drei bis vier Schlafstadien eingeteilt werden kann. Alle für die automatisierte Schlafstadienklassifikation verwendeten Merkmale werden aus derartigen Interbeat-Intervallen (IBI) oder Atmungsdaten berechnet. „In Zukunft sollte es möglich sein, diese Daten mit kostengünstigen Sensorsystemen zu erfassen, so dass die Daten für die Schlafstadienklassifizierung direkt bei den Proband:innen zu Hause und nicht in klinischen Einrichtungen erhoben werden können“, so Salzburg Research-Forscher Stefan Kranzinger weiter.
Für die automatisierte Klassifizierung wurden drei verschiedene Klassifikationsalgorithmen – Random Forests sowie zwei Arten von neuronalen Netzen – verwendet. In einem ersten Szenario wurden drei Schlafstadien klassifiziert: Wachzustand, Rapid Eye Movement (REM)-Schlaf und nicht REM (NREM)-Schlaf. In einem zweiten Szenario wurde feiner unterschieden: Wachzustand, leichter Schlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass für die dreistufige Klassifizierungsaufgabe – Wachzustand, NREM-Schlaf, REM-Schlaf – alle drei maschinellen Lernansätze geeignet sind, die Schlafstadien eines neuen Datensatzes zuverlässig zu klassifizieren. Nur die Klassifizierung der vier Schlafstadien – Wachsein, Leichtschlaf, Tiefschlaf, REM-Schlaf – zeigte, dass das mit dem frei verfügbaren Forschungsdatensatz trainierte Modell insbesondere den Tiefschlaf im neuen Datensatz schlechter vorhergesagt hat.
„Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass wir mittels Machine Learning gute Aussagen zu den Schlafphasen erzielen können. Wir sind auf einem guten Weg, um in Zukunft mit automatisierten Technologien die Betreuung von Menschen in Schlaflaboren ergänzen zu können. Weiterführende Forschungsarbeit wird zu einer weiteren Verfeinerung der Klassifizierungen führen“, so Kranzinger.
Quelle: Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH