Bei einem schweren Verlauf kann das SARS-CoV-2-Virus neben Lungenentzündungen auch massive Gefäßschäden hervorrufen, die in allen Organen auftreten und unter Umständen zu einem Multiorganversagen führen können. „Das Virus kann die Innenseite der Blutgefäße, das sogenannte Endothel, angreifen. Dies verursacht eine unkontrollierte Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) in den kleinsten Gefäßen (Kapillaren) aber auch in den größeren Arterien und Venen“, erläutert Dr. med. Thomas Voshaar, Vorstandsvorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK) und Chefarzt des Lungenzentrums am Krankenhaus Bethanien in Moers. Die Blutgefäße entzünden sich und verstopfen in der Folge und können den Gasaustausch (Versorgung mit Sauerstoff und Abtransport des Kohlendioxids) nicht mehr bewerkstelligen. Wie ein deutsch-US-amerikanisches Forscherteam aktuell berichtet, treten in schweren Fällen von Covid-19 weitaus mehr Schädigungen der kleinsten Gefäße (Mikrothromben) auf als bei einer schweren Grippe - nämlich neunmal so viele. Das wurde bei der Untersuchung von sieben obduzierten Lungen von an Covid-19 mit schwerem Verlauf Verstorbenen im Vergleich zu Gewebeproben von sieben an Schweinegrippe (Influenza A/2009 H1N1) Verstorbenen und zehn gesunden Lungen festgestellt (siehe New England Journal of Medicine, Online-Veröffentlichung am 21.5.2020).
Manche Covid-19-Symptomatik wird jetzt aufgrund der Gefäßschädigungen erklärbar
Die beobachteten Schäden an den Blutgefäßen können auch weitere Symptome erklären, die bei manchen Covid-19-Patienten aufgetreten sind, wie z. B. die sog. Covid-Zehen (mit Schwellungen und Rötungen wie bei einer Einfrierung), Schlaganfälle oder das Kawasaki-Syndrom bei Kindern (Gefäßentzündung mit Verstopfung der Koronararterien). „Gefäßentzündungen können außerdem zu einer Entzündung des Herzmuskels führen mit der Folge von Herzrhythmusstörungen oder einer schweren Herzinsuffizienz, wobei das SARS-CoV-2-Virus selbst offenbar auch direkt den Herzmuskel angreifen kann“, ergänzt Dr. Voshaar.
Therapieempfehlungen bei schwerem Verlauf
Das Risiko massiver Gefäßschäden hat auch Konsequenzen für die Therapie von Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf. „Um Gefäßkomplikationen vorzubeugen, sollte so früh wie möglich eine Blutverdünnung vorgenommen werden, am besten mit Heparin. Da es auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch zu Lungenembolien kommen kann, führen wir die Thrombolyseprophylaxe nach dem Klinikaufenthalt für weitere 4 bis 6 Wochen fort“, berichtet Dr. Voshaar. Zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung kann eine Beatmung erforderlich werden. „Dazu sollte aber nicht immer gleich invasiv beatmet werden. Vielmehr ist eine nicht-invasive Beatmung über eine Mund-Nasen-Maske in den meisten Fällen ausreichend und hat zusätzlich den großen Vorteil, dass sie viel schonender ist und die Patienten die Maske zwischendurch abziehen und somit sprechen, essen und selbständig abhusten können“, betont Dr. Voshaar. Letztlich gelte es, die invasive Beatmung, für die Patienten in ein künstliches Koma versetzt werden müssen, so lange zu vermeiden wie möglich – gerade im Hinblick auf die mit dieser Beatmungsform verbundenen, unerwünschten Auswirkungen (wie häufigere Lungeninfekte, mögliche Lungen- und andere Langzeitschäden, Notwendigkeit zur Entwöhnung vom Beatmungsgerät nach der Therapie). „Das sollte man übrigens auch in seiner Patientenverfügung differenziert betrachten und nicht – wie Viele es tun – pauschal jede Form von Beatmung ausschließen, vor allem nicht in Zeiten von Corona“, empfiehlt Dr. Voshaar.
Quelle: äin-red
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