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Rauchen beeinflusst allergierelevante Stammzellen

Das Inhalieren von Zigarettenrauch beeinflusst die Entwicklung von peripheren allergierelevanten Stammzellen im Blut. Das berichten Forscherinnen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Umweltschadstoffe, z.B. Rauchen, sind schädlich für den menschlichen Organismus, insbesondere auch im Hinblick auf die Entwicklung von Allergien. Das ist bekannt. Ob und inwieweit Umweltschadstoffe auch allergierelevante Stammzellen beeinflussen, wurde wissenschaftlich bislang nicht untersucht. Jetzt hat ein Team des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) erstmals den Nachweis erbracht, dass Rauchen die Entwicklung von peripheren allergierelevanten Stammzellen im Blut beeinflusst. Dazu haben Dr. Irina Lehmann und Dr. Kristin Weiße einen neuen wissenschaftlichen Weg gewählt: Die Kombination von Expositionsanalytik und Stammzellforschung (siehe Clinical & Experimental Allergy (2012), Band 42(9), Seite 1337-1346).

Stammzellen sind nicht spezialisierte Zellen, die sich unbegrenzt vermehren und in verschiedene Zelltypen entwickeln können. Aus ihnen differenzieren sich die verschiedenen Zell- und Gewebetypen des menschlichen Organismus, u.a. auch so genannte eosinophile Granulozyten, die an allergischen Reaktionen maßgeblich beteiligt sind. Als Bindeglied zwischen unspezialisierten Stammzellen und spezialisierten Gewebe- oder Organzellen fungieren Vorläuferzellen, z.B. eosinophie und basophile Vorläuferzellen, die im Knochenmark heranreifen und dann in die Blutbahn (die sogenannte Peripherie) ausgeschwemmt werden. Ob und wieweit Umweltschadstoffe diesen Reife– und Entsendeprozess beeinflussen, wurde bislang nicht untersucht.

An diesem Punkt setzte das UFZ-Team von Dr. Irina Lehmann und Dr. Kristin Weiße an. Aus mehreren Studien waren zwei Sachverhalte bereits bekannt: Zum einen, dass sich im Blut von Allergikern – gleich ob Kinder oder Erwachsene – erhöhte Zahlen an eosinophilen/basophilen Vorläuferzellen nachweisen lassen. Zum anderen, dass ein Auftreten von peripheren Vorläuferzellen im Nabelschnurblut auf ein erhöhtes späteres Allergierisiko hindeutet. Die Hypothese, die Weiße und Lehmann auf dieser Basis entwickelten, verbindet diese Erkenntnisse aus der Stammzellforschung mit den Ergebnissen aus der langjährigen Expositionsforschung des UFZ. „Wir wollten den Zusammenhang klären zwischen Umgebungseinflüssen sowie der Reifung und Differenzierung der Vorläuferzellen einerseits und deren Beitrag zum Allergiegeschehen andererseits. Konkret wollten wir wissen, ob das Auftreten von allergierelevanten Vorläuferzellen im Blut von Kleinkindern durch Umwelteinflüsse verändert werden kann“, skizzieren die Wissenschaftlerinnen ihren Ansatz.

Basierend auf Daten von 60 Kindern im Alter von einem Jahr wurde festgestellt, dass Kinder mit Hauterkrankungen wie atopischer Dermatitis oder Milchschorf erhöhte Mengen an eosinophilen Vorläuferzellen in ihrem Blut haben. Außerdem wurde der Nachweis erbracht, dass Kinder die bereits erkrankt sind, besonders sensibel auf Umweltexpositionen reagieren: Nachwuchs aus Familien mit hoher Belastung an flüchtigen organischen Verbindungen in der Wohnung (VOC) zeigten deutlich mehr der allergierelevanten eosinophilen/basophilen Vorläuferzellen. „Dass VOCs, die in hohem Maße z.B. aus Zigarettenrauch freigesetzt werden, den stärksten Effekt auf die Reifung von Stammzellen erbringen, war nicht völlig unerwartet“, erläutert Dr. Irina Lehmann. „Ebenso wichtig ist jedoch, dass wir zeigen können, dass nur bei den Kindern, die bereits eine Hauterkrankung bekommen haben, eine durch Schadstoffe veränderte Anzahl an Stammzellen zu beobachten ist“, ergänzt Dr. Kristin Weiße. Daher die Schlussfolgerung: Neben einer genetischen Veranlagung für eine Erkrankung entscheiden bestimmte Umwelteinflüsse (äußere Faktoren in der Umwelt und persönlicher Lebensstil), ob eine genetische Anlage zur Ausprägung gelangt oder nicht.

Hinter dieser Erkenntnis steckt ein hoher logistischer Aufwand: Da ist zum einen die Langzeitstudie „LiNA – Lebensstil und Umweltfaktoren und deren Einfluss auf das Neugeborenen-Allergierisiko“, die gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und vom Städtischen Klinikum St. Georg in Leipzig realisiert wird (siehe Clinical & Experimental Allergy (2012), Band 42(9), Seite 1337-1346). 622 Mütter mit ihren insgesamt geborenen 629 Kindern konnten zwischen 2006 und 2008 für die Studie gewonnen werden. Um mit LiNA auch Umwelteinflüsse aus der vorgeburtlichen Phase erfassen zu können, wurden die Mütter - im Unterschied zu früheren vergleichbaren Neugeborenenstudien – bereits während der Schwangerschaft und die Kinder vom Zeitpunkt der Geburt an in die Untersuchungskohorte aufgenommen. Zum anderen galt es, die für die Stammzellanalysen notwendige Methode im Labor des kanadischen Kooperationspartners, Prof. Judah Denburg von der McMaster University in Hamilton, zu erlernen und anschließend nach Deutschland zu transferieren. Sechs Monate arbeitete Dr. Kristin Weiße in Kanada in der Arbeitsgruppe von Prof. Denburg, um sich das entsprechende Know-how anzueignen und von den Erfahrungen der kanadischen Partner zu profitieren. „Mit dem Thema Umweltbelastung und Stammzellen haben wir ein spannendes neues Forschungsfeld etabliert“, da sind sich Lehmann und Weiße einig. Weltweit sei das UFZ-Team das derzeit einzige, das diesem Zusammenhang mit analytischer Präzision und methodischer Geduld nachgehe. Die LiNA-Studie, in der Mütter und ihre Kinder über Jahre hinweg beobachtet werden können, liefere dazu eine einzigartige Basis.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)