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Ratten können Tuberkulose riechen

Afrikanische Riesenhamsterratten können darauf trainiert werden, Tuberkulosebakterien im Auswurf von Tuberkulose-Patienten am Geruch zu erkennen. Forscher der TU Braunschweig wollen herausfinden, welche Duftstoffe dabei Ausschlag gebend sind.

Ratten verfügen über einen extrem guten Geruchssinn. Ihre Nasen sind so fein, dass sie sogar Tuberkulosebakterien in Sputumproben (Proben des Lungen-Auswurfs) von Patienten riechen können. Wie genau Tuberkulose am Geruch erkennbar ist, ist noch weitgehend unbekannt. Prof. Stefan Schulz vom Institut für Organische Chemie der Technischen Universität Braunschweig untersucht, welche chemischen Vorgänge dabei ausschlaggebend sind. Er arbeitet mit dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und mit der gemeinnützigen tansanischen Initiative APOPO zusammen. Diese Non Profit-Organisation bildet afrikanische Riesenhamsterratten darin aus, Tuberkulose zu erkennen und setzt sie in verschiedenen afrikanischen Ländern ein. Das Projekt, das von der UBS Optimus Foundation gefördert wurde, ist zurzeit in der Auswertungsphase.

Viele Bakterien produzieren sogenannte flüchtige Verbindungen, die Tiere und zum Teil auch Menschen als Duftstoffe wahrnehmen können. Mit seiner Arbeitsgruppe erforscht Prof. Stefan Schulz vom Institut für Organische Chemie der TU Braunschweig unter anderem, wie und warum Bakterien diese Gerüche erzeugen. „Wir prüfen, ob es spezielle Duftmarker gibt, sogenannte flüchtige Biomarker, die jeweils mit den Tuberkulosebakterien einhergehen“, erklärt Schulz. „Das ist auch deshalb interessant, weil sich das Verfahren vielleicht für weitere Anwendungen nutzen lässt, um Tuberkulose oder auch andere Krankheiten schneller erkennen zu können.“

Gleichzeitig erforscht das Team, ob sich auch die verschiedenen Stämme von Tuberkulosebakterien und die Krankheitsstadien an ihrem Duft unterscheiden lassen. „Wir analysieren, ob es Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Duftstoffe in frühen und späten Tuberkulosestadien gibt“, erklärt Schulz. Dadurch könnten Befunde differenzierter erstellt werden. Tuberkulose ist, insbesondere wenn die Krankheit unerkannt und unbehandelt bleibt, noch immer ein großes Problem: Weltweit starben 2017 etwa 1,6 Millionen Menschen an der Krankheit.

In weiten Teilen Afrikas wird vermutlich nur die Hälfte der auftretenden Tuberkulosefälle erkannt. Das liegt an einem eingeschränkten Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung, der Unterfinanzierung von Kliniken, dem Mangel an geschultem Personal und limitierten diagnostischen Möglichkeiten. Eine genetische Untersuchung auf Tuberkulosebakterien in Sputumproben ist zuverlässig, aber oft zu teuer und noch nicht flächendeckend verfügbar. Mit der kostengünstigen Mikroskopie werden dagegen lediglich ungefähr zwanzig Prozent der Fälle – meist jene im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium – erkannt. Deshalb setzt APOPO auf tierische Unterstützung: Die sogenannten HeroRats haben eine Erfolgsquote von ungefähr 75 Prozent.

Die Riesenhamsterratten werden neun Monate lang trainiert. Finden sie eine positive Probe, signalisieren sie dies durch Verharren von mindestens drei Sekunden über der Probe. Für richtig identifizierte positive Proben erhalten sie anschließend eine Belohnung. So werden sie auf den Geruch der Tuberkulose-Erreger konditioniert. Nach ihrer Ausbildung werden die Tiere in den APOPO-Teststationen eingesetzt, zu denen Proben von Partnerkliniken per Motorradkurier transportiert werden. Dort laufen sie durch Glastunnel und schnüffeln an den im Boden eingelassenen Behältern mit den Sputumproben. Die positiven Funde der Ratten werden stets noch einmal von Labortechnikern mit anerkannten diagnostischen Methoden geprüft, bevor ein Ergebnis an die behandelnden Kliniken zurückgeben wird. Eine Ratte kann hundert Proben in weniger als zwanzig Minuten prüfen, ein Laborant oder eine Laborantin bräuchte dafür bis zu vier Tage. Laut APOPO konnten die Erkennungsraten der Partnerkliniken dank der HeroRats um 40 Prozent erhöht werden.

Gerüche bestehen aus flüchtigen Verbindungen. Um diese chemisch analysieren zu können, werden die Substanzen des Duftraumes mithilfe einer so genannten Headspace-Analyse aufgefangen. Anschließend werden sie auf einen Filter gegeben und in der Gaschromatographie untersucht. Dabei stehen die Wissenschaftler vor der Herausforderung, dass die absoluten Mengen extrem gering sind. „Das ist echte Spurenanalytik“, so Prof. Schulz „Wir versuchen, die verschiedenen Substanzen des Duftraumes herauszufinden und sind oft damit konfrontiert, dass wir die Strukturen der Substanzen nicht kennen. Wir machen also auch Strukturaufklärung.“

Die so gefundenen spezifischen Substanzen und Verbindungen der Duftstoffe von Tuberkulosebakterien werden später noch einmal getestet. „Bei der Analyse des Duftraumes von Tuberkuloseerregern haben wir bestimmte Verbindungen gefunden. In einem nächsten Schritt muss dann getestet werden, ob diese isolierten Substanzen das gleiche Verhalten bei den Ratten hervorrufen, wie die eigentlichen Bakterien“, erläutert Prof. Schulz. Diese Tests finden in Afrika, an der Sokoine University of Agriculture in Tansania statt. Dabei arbeitet das Team eng mit Dr. Georgies Mgode zusammen, der Verfahren für die aufwändige Probennahme entwickelt und zu diesem Thema am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie promoviert hat.

Zu Beginn hat das Forscherteam ausschließlich die isolierten Bakterien untersucht. Inzwischen analysiert es direkt von Tuberkulosepatienten gewonnene Sputumproben. Die Herausforderung: Die Zusammensetzung der Proben variiert und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Alter der Person oder davon, was sie gegessen hat. Dadurch riecht jede Probe anders. „Deshalb ist es besonders interessant herauszufinden, welche Duftstoff-Verbindungen spezifisch für Tuberkulosebakterien sind und an welchen Substanzen Ratten die Krankheit erkennen“, so Schulz.

Das Projekt wird aktuell ausgewertet. Mit gesicherten Ergebnissen rechnet das Forscherteam im nächsten Jahr. „Wir wollen durch unsere Grundlagenforschung die Arbeit von APOPO unterstützen“, so Prof. Schulz. „Gleichzeitig könnte es sein, dass wir Duftstoffe finden, die für infektiöse Tuberkulosebakterien typisch sind und an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Labortests, unabhängig von den Ratten, Tuberkulose identifizieren können.“

Quelle: Technische Universität Braunschweig