In Nordamerika wurden im Verlauf der letzten zehn Jahre immer mehr Pilzinfektionen bei Patienten mit Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) festgestellt. Allerdings wird eine routinemäßige Pilzdiagnostik in den USA derzeit bei CF Patienten nicht durchgeführt. Daher dürften die Zahlenangaben zu Pilzinfektionen aus dem amerikanischen Mukoviszidose-Register aus dem Jahr 2013 nur die Spitze des Eisbergs widerspiegeln: Angeblich sollen lediglich 18% der CF-Patienten den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus haben. Diese Situation möchte die amerikanische CF-Foundation (CFF) dringend ändern, wie sie auf dem Seminar „Fungi in CF – Where do we stand?“des Mukoviszidose Instituts ankündigte, das vom 22. bis zum 23. September 2016 im Schloss Waldthausen bei Mainz stattfand. Zu der internationalen Veranstaltung kamen insgesamt 38 Forscher, darunter Teilnehmer aus Amerika, England, Schweden, den Niederlanden, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Was die aktuelle Häufigkeit von Mykosen bei CF anbelangt, gehen internationale Untersuchungen von ganz anderen Zahlen aus (siehe PLoS One, Online-Veröffentlichung am 10.6.14): 50% der erwachsenen CF-Patienten seien mit Aspergillus fumigatus besiedelt. Ob das daran liegt, dass Pilzinfektionen generell bei CF-Patienten in letzter Zeit zunehmen oder ob nur die mikrobiologische Diagnostik besser geworden ist und mehr Pilze entdeckt werden, sei noch unklar. Eines sei jedoch deutlich: Pilze spielen bei CF eine Rolle, und die gelte es besser zu verstehen.
Warum Pilze in der Lunge von CF-Patienten möglicherweise ein leichtes Spiel haben, erklärte Prof. Jean-Phillipe Bouchara aus Frankreich in seinem Vortrag: Eintritt in die Lunge erhalten die Pilze über die Pilzsporen, die durch die Luft verbreitet werden. Die meisten Sporen haben mit 3-5 µm eine Größe, wie sie auch für inhalative Medikamente empfohlen wird. Sie gelangen daher leicht in die Lunge, auch in tiefe Lungenabschnitte, aus denen die Sporen schlecht wieder herausgebracht werden können.
Die gestörte Reinigungsfunktion der Lunge bei CF begünstigt zusätzlich das Verbleiben der Pilzsporen in der Lunge. Ist die Lunge - wie bei CF-Patienten - vorgeschädigt, so können sich die Sporen leicht einnisten und die Besiedelung kann beginnen. Erste Pilzbesiedelungen treten bei Mukoviszidose-Patienten bereits in einem Alter ab ca. 16 Jahren auf. Dann ist die Lunge der Patienten oft schon vorgeschädigt und es besteht eine chronische Entzündung. Meist haben Infektionen mit Bakterien auch schon verschiedene Antibiotika-Therapien notwendig gemacht, die das Pilzwachstum begünstigen können.
Ein Arsenal von pilzeigenen Substanzen verhilft dem Pilz, sich in der Lunge gegen die Abwehrzellen des Immunsystems des Menschen zu behaupten: Sogenannte Siderophore binden Eisen aus der Umgebung und versorgen den Pilz mit diesem lebenswichtigen Element. Auch eiweißspaltende Enzyme (Proteasen) setzt der Pilz frei, um die körpereigene Immunabwehr zu stören. Viele Pilze verfügen zudem über Farbstoffe (Melanin), die sie vor freien Radikalen schützen, die körpereigene Fresszellen im Kampf gegen Eindringlinge freisetzen. Insgesamt sind die Forscher auf dem Weg, diverse Tricks der Pilze zu entlarven und die Rolle von Pilzen bei Mukoviszidose immer besser zu verstehen. Dieses Wissen ist Voraussetzung, um die Pilz-Diagnostik und -Behandlung verbessern zu können und eine routinemäßige Anwendung zu ermöglichen.
Eine Methode, mit der die Frage geklärt werden kann, ob ein Pilz „nur“ die Lunge besiedelt, ohne Probleme zu verursachen, oder ob ein Pilz zu einer Entzündung und Verschlechterung des Gesundheitszustands führt, hat die Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Scheffold aus Berlin entwickelt. Immer dann, wenn es zu Entzündungsgeschehen kommt, befindet sich der Körper in Alarmbereitschaft und im Blut kursieren spezielle Abwehrzellen. Diese T-Zellen könne man in einem Bluttest nachweisen – sie seien so spezifisch, dass sie den ursächlichen Erreger einer Entzündung möglicherweise „verraten“ können. Eine derartige Methode soll nun speziell für die CF-Diagnostik etabliert werden.
Eine andere Arbeitsgruppe aus den Niederlanden arbeitet daran, eine „elektronische Nase“ zu entwickeln, die anhand der Ausatemluft von Patienten erkennen kann, welche Pilze die Lunge besiedeln. Ein solcher Test wäre hilfreich, um Veränderungen in der Keimbesiedelung möglichst zeitnah überwachen zu können.
Es tut sich also einiges auf dem Gebiet Pilze und Mukoviszidose. Ganz wichtig sei aber auch die richtige Interpretation des bisherigen Wissens: So stellen die Wissenschaftler zunehmend die Notwendigkeit fest, das mikrobielle Leben in der Lunge in gesamtheitlicher Pespektive zu betrachten. Da nicht alle Pilze und Bakterien in der Lunge schädlich seien, ist eine keimfreie Lunge nicht erstrebenswert. Vielmehr scheine eine „gesunde Mikroflora“ aus verschiedenen Mikroorganismen die Lunge gesund zu halten. Und diese Mikroflora gelte es besser zu verstehen, damit entsprechend sensitiv und zielgerichtet therapiert werden könne.
Quelle: Mukoviszidose Institut gGmbH