Rund 300.000 Menschen in Deutschland leiden unter dem Phänomen der „Vocal Cord Dysfunction“ (VCD) - einer Stimmbandfehlfunktion, die anfallsartig auftritt und eigentlich nicht lebensgefährlich ist, für die Betroffenen aber mit Erstickungsgefühlen und Todesängsten verbunden ist. Darauf weisen die Lungenärzte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Werne hin. „Bei Patienten mit VCD schnürt sich plötzlich der Hals zu, weil sich die Stimmbänder verkrampfen und verschließen“, erläutert Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der DGP und Leiter der Lungenfachklinik Kloster Grafschaft im nordrhein-westfälischen Schmallenberg. „Es kommt zu akuter Atemnot, der meist ein Hustenanfall vorausgeht. Da der krampfhafte Verschluss der Stimmlippen nur wenige Sekunden oder höchstens zwei bis drei Minuten anhält, fühlt sich das für die Betroffenen sehr unangenehm und lebensbedrohlich an, ist es aber nicht, weil man daran nicht ersticken kann. Nach einem Anfall öffnen sich die Stimmlippen nämlich von selbst und die Patienten können wieder normal atmen. Auch etwa fünf Prozent der Asthmatiker kennen solche Anfälle, die dann häufig für einen Asthmaanfall gehalten werden, der gar keiner ist. Daher können die gegen Asthma eingesetzten Notfall-Sprays ihnen nicht helfen und die Betroffenen erleiden Todesängste. Tödliche Verläufe einer VCD sind bisher aber nicht bekannt.“
Vorrangiges Problem: übermäßige Einnahme von ungeeigneten MedikamentenDie Ursachen einer VCD sind noch unklar. „Wahrscheinlich kommen viele Faktoren zusammen, wobei ein möglicher Auslöser zum Beispiel auch Sodbrennen sein kann“, erklärt Köhler. „Ein Tröpfchen Magensäure kann theoretisch schon ausreichen, um den Kehlkopf zu irritieren. In solchen Fällen können Medikamente gegen Sodbrennen helfen. Andere mögliche Auslöser sind - ähnlich wie bei Asthma auch - Stress, psychische oder körperliche Belastung, kalte oder warme Luft, Zigarettenrauch, Raumdüfte und Parfüms sowie allergene Einflüsse. Andererseits liegt das vorrangige Problem bei VCD meist im Unwissen der Patienten begründet: Viele lassen sich immer mehr und immer stärkere Asthma-Medikamente verschreiben, die wie gesagt bei VCD gar nichts bewirken und die Betroffenen lediglich mit unerwünschten Nebenwirkungen belasten.“
Aufklärung, Angstabbau und Atemtherapie am wirksamstenDas wirksamste Mittel bei VCD besteht darin, den Patienten klar zu machen, dass ihr Leben nicht gefährdet ist. „Um den Betroffene zu beweisen, dass ihre Stimmbandfehlfunktion eigentlich harmlos ist, können wir einen VCD-Anfall bei einer ärztlichen Untersuchung bewusst auslösen. Natürlich nur nach vorheriger Ankündigung, zum Beispiel durch Berühren der Rachenschleimhaut oder durch Besprühen mit einem betäubenden Mittel. Ziel ist es dann zu demonstrieren, dass trotz der empfundenen Atemnot kein Ersticken droht, weil sich der Krampf der Stimmbänder nach kurzer Zeit wieder von alleine löst. Auch spezielle Atemtherapieübungen oder eine logopädische Beratung können hilfreich sein, um die Todesängste abzubauen und so die Anfälle leichter zu überstehen. Übrigens gibt es auch einen Verein Forum für Stimmbandfehlfunktionen, an den sich Betroffene wenden können.“