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Paradigmenwechsel in der Entzündungsforschung

Wie man das akute Lungenversagen mit einem völlig neuen Ansatz möglicherweise bremsen kann, erforschen Prof. Dr. Konstantin Mayer und Prof. Dr. Jürgen Lohmeyer von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Es zeichnet sich eine Art Paradigmenwechsel in der Entzündungsforschung ab: Die Gießener Mediziner Prof. Dr. Konstantin Mayer und Prof. Dr. Jürgen Lohmeyer wollen fundamentale neue Erkenntnisse nutzen, um ein schwerwiegendes Problem zu bekämpfen: das akute Lungenversagen (acute respiratory disease syndrome =ARDS). Von dieser lebensbedrohlichen Erkrankung sind viele Patienten auf einer Intensivstation betroffen. „Neue Lipidmediatoren als anti-inflammatorischer Ansatz in der Therapie des akuten Lungenversagens“ heißt das Projekt, das in den kommenden drei Jahren am University of Giessen Lung Center (UGLC) untersucht werden soll.

„Noch immer liegt die Sterblichkeit aufgrund eines akuten Lungenversagens bei 30 bis 40 Prozent“, erklärt Mayer, apl. Professor am Zentrum für Innere Medizin (Fachbereich 11 – Medizin) der Justus-Liebig-Universität Gießen und Oberarzt am Lungenzentrum des Universitätsklinikums Gießen-Marburg, Standort Gießen. Trotz jahrzehntelanger Forschung habe die Medizin dagegen bislang nicht viel in der Hand. Bis heute sei es nicht gelungen, ein probates Medikament in die Klinik zu bringen. Aus heutiger Sicht ist das für Prof. Mayer andererseits nicht erstaunlich, denn die Wissenschaftler hätten offenkundig „an der falschen Front“ gekämpft.

Das akute Lungenversagen beginnt meist mit einer Entzündung (Inflammation), verursacht etwa durch Bakterien oder Viren. „Die Einleitung einer Entzündung ist ein aktiver, geordneter Prozess“, erklärt Mayer. Allerdings könne es zu einer überschießenden Reaktion kommen, wobei sich der Prozess immer weiter hochschaukelt. Gängige entzündungshemmende Medikamente wie Kortison unterdrücken lediglich die pro-inflammatorischen Signale.

Bislang sind die Forscher davon ausgegangen, dass eine Entzündungsreaktion aufhört, sobald die pro-inflammatorischen Signale weniger werden. Im Gegensatz dazu gibt es jetzt eine fundamental neue Erkenntnis, die einen Paradigmenwechsel einläuten könnte: Eine Entzündung verläuft nicht passiv im Sand, sondern wird aktiv und geregelt in mehreren Schritten beendet. Neu entdeckte Botenstoffe sind die so genannten Lipidmediatoren: Resolvine und Protektine. Sie schalten die Signalwege ein, die letztlich die Entzündungsreaktion stoppen – „und zwar reguliert“, wie Mayer betont. „Wir wollen jetzt nicht anti-inflammatorisch eingreifen, sondern indem wir selektiv die Abschaltungsmechanismen der Entzündung durch Lipidmediatoren beschleunigen.“ Prinzipiell seien die Abschaltungsmechanismen wahrscheinlich zwar intakt, angesichts der überschießenden Entzündung aber nicht schnell genug.