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Optimierte Naturstoffe als Ersatz für stumpf gewordene Antibiotika

Ein neuartiges Antibiotikum, das mithilfe eines biotechnologisch optimierten Naturstoffes entwickelt wurde, hat offenbar eine hervorragende Wirksamkeit gegen resistente gramnegative Bakterien.

Antibiotika verfehlen immer häufiger ihre Wirkung. Das Problem der antimikrobiellen Resistenz (AMR) bei Bakterien stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen, zumal es längst nicht mehr nur herkömmliche Antibiotika betrifft. Dies zeigt sich auch am Beispiel chronischer Lungenerkrankungen: Selbst neue Medikamente sind oft wirkungslos für die Behandlung von Infektionen, die von sogenannten gramnegativen Erregern wie Pseudomonas aeruginosa, einem relevanten Erreger der Lungenentzündung, verursacht werden – eine erhebliche Gefahr insbesondere für immunsupprimierte Patientinnen und Patienten. Um den Betroffenen helfen zu können, müssen innovative Antibiotika mit einem neuen Wirkmechanismus entwickelt werden.

Einem Forscherteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME), Institutsteil Bioressourcen in Gießen, und der Pädiatrischen Infektiologie des Klinikums der Universität München (LMU Klinikum München) ist es gelungen, ein neuartiges Antibiotikum zu entwickeln, das gezielt gramnegative Erreger angreift. Die Substanzen sind aktiv gegen multiresistente Pseudomonas-Stämme. (siehe Microbiology Spectrum, online seit 24.1.23).

Das Team von Naturstoff-Forscherinnen und -Forschern am Institut für Insektenbiotechnologie der JLU und des Gießener Fraunhofer-Instituts IME unter der Federführung von Prof. Dr. Till Schäberle hat im Rahmen der aktuellen Studie die Naturstoffklasse der Darobactine, an deren Entdeckung sie im Jahr 2019 beteiligt waren, weiter optimiert. „Es handelt sich um neuartige Peptide, die gramnegative Bakterien an einem bislang klinisch nicht genutzten Wirkort angreifen“, erläutert Prof. Schäberle. „Bisher zeigen die Darobactine, bei sehr guter antimikrobieller Aktivität in-vivo, keine Zelltoxizität – eine Kernvoraussetzung für den Einsatz als Antibiotikum“, so Schäberle weiter. Durch biotechnologische Arbeiten im Bereich der Naturstoffforschung habe man die Produktion dieser Substanz verbessert. Vor allem sei es nun gelungen, neue Analoga zu generieren.

Die Gießener Forschenden haben eine biotechnologische Plattform entwickelt, um die Substanzen aus der Naturstoffklasse der Darobactine herzustellen und entsprechend zu verändern. Sie optimierten die Substanzen und testeten die Moleküle zusammen mit einem Wissenschaftlerteam im Dr. von Haunerschen Kinderspital am LMU Klinikum München gegen multiresistente Erreger, die von Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose (CF) stammen.

„Gegen multiresistente gramnegative (MRGN) Erreger wirken nur noch die letzten Reserveantibiotika. Insbesondere bei der wichtigen unterstützenden antibiotischen Behandlung von Cystischer Fibrose bedeutet dies oft ein deutlich erhöhtes Risiko an toxischen Nebenwirkungen für die Patientinnen und Patienten.“, erläutert PD Dr. Ulrich von Both, pädiatrischer Infektiologe und Wissenschaftler am LMU Klinikum München. Die jetzt publizierten Forschungsergebnisse könnten ein wichtiger Schritt sein, der langfristig Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung auch von Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose macht. Bei der Mukoviszidose, so der geläufigere Krankheitsname, handelt sich um eine angeborene Stoffwechsel-Erkrankung, die zu den häufigsten Erbkrankheiten zählt.

„Jeder zweite hier untersuchte von CF Patientinnen und Patienten isolierte Pseudomonas-Keim ist bereits gegen die neuen Reserveantibiotika-Kombinationspräparate Ceftazidim/Avibactam und Ceftolozan /Tazobactam resistent. Der Wirkstoff Cefiderocol war nur noch gegen zwei Drittel der Isolate in vitro wirksam.“, bekräftigt Mitautorin Laura Kolberg, ebenfalls München. „Dahingegen ist die neue Substanzklasse der Darobactine sehr vielversprechend, da sie nicht nur gegen Pseudomonas-Erreger, sondern auch gegen weitere klinisch relevante Erreger wie Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumannii wirksam ist.“, ergänzt Dr. Michael Marner, Gießen.

Einhellig heben sie hervor, dass Antibiotika sorgsam verwendet werden sollten, um Behandlungsoptionen gegen schwere bakterielle Infektionen dauerhaft zu erhalten. Neue, wirksame Antibiotika gegen Multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN-Bakterien) würden dringend benötigt. Insbesondere Moleküle mit einem neuen Wirkmechanismus, wie die hier getesteten „Spitzenkandidaten“, müssten so rasch wie möglich zu lebensrettenden einsatzfähigen Antibiotika entwickelt werden.

Quelle: Justus-Liebig-Universität, Gießen