Derzeit gibt es in Deutschland rund 7 Millionen Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). In zehn bis zwanzig Jahren wird diese Zahl voraussichtlich auf acht Millionen steigen. Was die Gründe für diese Zunahme sind, erläutert Dr. Christian Herzmann vom Forschungszentrum Borstel in einem Podcast der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.2.2019: https://fazgesundheit.podigee.io/6-neue-episode
In diesem Interview berichtet Dr. Herzmann auch von einem neuartigen Beatmungsgerät, das am Forschungszentrum Borstel entwickelt wurde und eine spezielle Atemtechnik gegen Luftnot (die so genannte Lippenbremse) simuliert. Im Gegensatz zur klassischen Überdruck-Beatmung, die bei manchen Patienten mit COPD zu einer Überblähung führen kann, arbeitet das neue FLO Vigaro-Gerät mit geringeren Drücken und fördert die Entleerung bzw. Entblähung der Lunge.
Die sog. Lippenbremse ist eine einfache Atemtechnik, mit der Lungenpatienten sich bei auftretender Atemnot helfen können. Insbesondere bei COPD neigen die durch die Erkrankung instabil gewordenen Bronchien dazu, beim Ausatmen zusammenzuklappen, was die Atmung stark erschwert. Zweck der dosierten Lippenbremse ist, dieses Kollabieren zu verhindern, indem die Luft beim Ausatmen durch Schürzen der Lippen etwas abgebremst und so ein leichter Widerstand aufgebaut wird. Dies erzeugt einen leichten Gegendruck, der sich von den oberen Atemwegen in die unteren Atemwege fortsetzt und so verhindert, dass dort die kleineren Bronchien kollabieren. In der Folge kann die Ausatemluft besser aus der Lunge herausströmen und somit auch wieder mehr frische Luft eingeatmet werden.
Die Lippenbremse kann allerdings nicht im Schlaf durchgeführt werden, da sie eine gewisse Konzentration und damit Wachheit erfordert. Aus diesem Grund haben die Forscher des Forschungszentrums Borstel ein Beatmungsgerät entwickelt, das die Lippenbremse simuliert - und zwar auch während des Nachtschlafs. Dabei wurde das Gerät in Anlehnung an eine natürliche Lippenbremse so programmiert, dass bei der Ausatmung ein zunächst ansteigender und dann wieder abfallender Druck herrscht. Dadurch werden die inneren Atemwege während der Ausatmung länger offengehalten. Im Gegensatz zu einem konstanten Ausatemgegendruck, der in der gesamten Lunge vorherrscht, wirkt sich diese Druckführung mit an- und abfallendem Druck primär zunächst nur in den oberen Atemwegen und erst später im gesamten Lungengewebe aus. Hierdurch können die zusammenfallenden Atemwege geschient und die Ausatmung verbessert werden. Unter Anwendung dieser Lippenbremse verlangsamt sich automatisch die Atemfrequenz und das Atemzugvolumen nimmt zu.
Für eine dieses Jahr und evtl. auch nächstes Jahr noch laufende Studie an fünf deutschen Lungenzentren (in Borstel, Großhansdorf, Heidelberg, Hannover und Lübeck), in welcher der Nutzen, die Sicherheit und die Verträglichkeit des neuen FLO Vigaro-Gerätes im Vergleich zu konventionellen nicht-invasiven Beatmungsverfahren bei Patienten mit einer stabilen, fortgeschrittenen COPD überprüft werden sollen, werden noch Teilnehmer gesucht. Wer Interesse hat, kann anhand eines Fragenkatalogs auf http://lippenbremse.fz-borstel.de/index.php/studienteilnahme zunächst feststellen, ob er die Kriterien für eine Teilnahme erfüllt. Genauere Informationen über den Ablauf der Studie finden Sie hier: http://lippenbremse.fz-borstel.de/index.php/ablauf-der-studie