Ozon (O3) wird im Wesentlichen in der oberen Atmosphäre gebildet, da das UV-Licht der Sonne Sauerstoffmoleküle (O2) spaltet, aber es entsteht auch am Boden bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Es ist bekannt, dass Ozon unser Atemsystem schädigt und in Zusammenhang steht mit Asthma, Bronchitis, Herzanfällen und anderen Herz-Lungen-Problemen. Es bleibt jedoch unklar, wie genau Ozon solche Schäden verursacht. Einer Theorie zufolge greift es den Schutzfilm der Lungenoberfläche an, der aus einer Schicht Wasser unter einem Gemisch aus Lipid genannten Fettmolekülen und Proteinen besteht, die zusammen das so genannte Lungentensid bilden, das den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid bei der Atmung unterstützt. Dabei wird die Oberflächenspannung, d.h. die gegenseitige Anziehung der Moleküle untereinander, in der genannten Oberflächenschicht vermindert. Dadurch können sich die Flüssigkeiten ausbreiten, so dass eine größere Oberfläche für den Gasaustausch entsteht.
Leider kann ein Mangel an adäquatem Tensid, wie er oftmals natürlicherweise bei Frühgeburten beobachtet wird, ähnliche Atembeschwerden, wie oben beschrieben, hervorrufen und in manchen Fällen sogar zum Tod führen. Dieser Zusammenhang wurde 2011 weiter bestätigt in einer Studie, die zeigte, dass Ozon heftig mit der Lipidschicht reagiert und sie zerstört. Weiterhin unklar war jedoch, was genau vor sich geht und wie diese Reaktionen das Tensid bei seiner Funktion behindern.
Zur weiteren Untersuchung führten Dr. Katherine Thompson von Birkbeck und ihr Team Neutronen-reflexionsexperimente am Institut Laue-Langevin in Grenoble und an der ISIS-Neutronenquelle in Oxfordshire an einer künstlichen einlagigen Lipidschicht durch, mit der die Lungenoberfläche simuliert wurde. Die Lipidschicht wurde einem verdünnten Gasgemisch aus Ozon ausgesetzt und die Veränderungen in ihrer Struktur oder Oberflächenspannung wurden in Echtzeit untersucht. Die Ozonkonzentration betrug etwa 100 parts per billion (0.1 ppm), was in etwa der Größenordnung in einer luftverschmutzten Stadt im Sommer entspricht.
„Neutronen sind ein ideales Werkzeug zur Untersuchung biologischer Stoffe, insbesondere ihrer Reaktionen und Wechselwirkungen an Oberflächen und über Schnittstellen hinweg“, erklärt Dr. Richard Campbell vom Institut Laue-Langevin. „Sie sind hochempfindlich gegenüber leichten Atomen wie Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, aus denen diese organischen Moleküle bestehen. Ferner kann man mit Isotopenmarkierung Struktur und Zusammensetzung von Schnittstellenschichten bestimmen.“
Die Verwendung von Neutronen ermöglichte es Dr. Thompson, verschiedene Teile der Probe durch Deuterierung zu markieren - ein Prozess, bei dem ein schwereres Wasserstoffisotop eingebaut und undeuterierten Proben gegenübergestellt wird, um die Lage der Wasserstoffatome herauszufinden. So konnten verschiedene Teile des Moleküls getrennt beobachtet werden, wenn sie mit dem Ozon reagieren. Mit dieser Technik zeigte Dr. Thompsons Team, dass einer der aufwärts zeigenden Schwänze des Lipids, C9-Teil genannt, während der Ozon-Degradation abbricht und vollständig von der Oberfläche verschwindet. Der noch am Lipidkopf haftende Teil orientiert sich dann neu und dringt in die Luft-Wasser-Schnittstelle ein. Der Verlust des C9-Teils verursacht einen anfänglichen Abfall der Oberflächenspannung, welcher zeitweilig zu einer Ausdehnung der Oberfläche für den Gasaustausch und das effiziente Atmen führt. Dieser Effekt ist jedoch von kurzer Dauer, weil das Eindringen des Molekülrests in das Wasser einen langsamen, aber ausgeprägten Anstieg der Oberflächenspannung verursacht - bis zu einem Ausmaß, das letztlich einen Nettozuwachs zur Folge hat.
„Wir wissen nicht mit Sicherheit, was die zweite Stufe des Spannungsanstiegs verursacht“, erläutert Dr. Katherine Thompson, Birkbeck, Universität London. „Das beschädigte Lipid könnte sich langsam in Wasser auflösen und die Schnittstelle vollständig verlassen oder es könnte eine langsame Reaktion auftreten, welche einen anderen, nicht direkt vom Ozon angegriffenen Teil des Lipids schädigt. Was wir sagen können, ist, dass der langsame Anstieg der Oberflächenspannung als Folge der Ozoneinwirkung die Fähigkeit unserer Lunge, Sauerstoff und Kohlendioxid zu verarbeiten, sicherlich schädigt und für die Atembeschwerden durch Ozonvergiftung verantwortlich sein kann.“
Für Dr. Thompson und ihre Kollegen wird der nächste Schritt darin bestehen, das Modell auf die Bedingungen von Menschen mit verschiedenen Formen von Atembeschwerden zu übertragen, um besser zu verstehen, warum Ozon sie offenbar stärker beeinträchtigt als andere.
Quelle: Institut Laue-Langevin