Lungenkrebs stellt nach wie vor nicht nur die häufigste Krebserkrankung dar, sondern ist auch für die meisten Krebs bezogenen Todesfälle verantwortlich. Nach Angaben der im Vorjahr publizierten GLOBOCAN-Studie werden weltweit jährlich 1,82 Millionen neue Fälle von Lungenkrebs diagnostiziert - das sind 12,9 Prozent aller Krebsfälle. 1,6 Millionen Menschen jährlich sterben daran, das sind nahezu 20 Prozent aller durch Krebs verursachten Todesfälle. „4.400 Todesfälle jeden Tag -- das ist, als würden täglich zehn vollbesetzte Jumbo-Jets vom Himmel fallen“, macht Prof. Dr. Robert Pirker von der Universitätsklinik für Innere Medizin I, MedUni Wien/AKH Wien das Ausmaß deutlich. „Als Arzt kann ich nur schwer nachzuvollziehen, mit welcher Gelassenheit die Gesellschaft und politischen Repräsentanten diese Tragödie unseres Jahrhunderts hinzunehmen scheinen.“
Die wirkungsvollste Vorsorgemaßnahme ist seit langem bekannt: Weltweit ist das Rauchen für den Tod von mehr als sechs Millionen Menschen jährlich verantwortlich. In Zentraleuropa betreffen 85 Prozent aller Lungenkrebs-Fälle Raucher oder ehemalige Raucher. „Es gibt keine andere Krankheit, die sich durch einfache gesetzliche Rahmenbedingungen so dramatisch eindämmen ließe“, betont Prof. Pirker.
Wie eine auf der World Conference on Lung Cancer 2016 präsentierte systematische Analyse von 17 Publikationen zeigt, sind Frauen durch die verschiedenen Karzinogene im Tabak noch stärker gefährdet als Männer. Das zeigt sich auch daran, dass sie zum Zeitpunkt der Diagnose im Schnitt jünger sind als Männer. Parallel dazu hat sich auch die Zahl der Lungenkrebspatientinnen in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Laut einer im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit erstellten Krebsprognose ist bis zum Jahr 2030 mit einer weiteren Verdoppelung zu rechnen. Dann wäre die Anzahl der jährlich neu an Lungenkrebs erkrankten Frauen sogar höher als jene der Männer.
Inzwischen besteht auch kein Zweifel mehr daran, dass Passivraucher allzu oft das Schicksal ihrer rauchenden Mitmenschen teilen: Wer Zigarettenrauch ausgesetzt ist, hat im Vergleich zu Nichtrauchern ein um 20 Prozent erhöhtes Lungenkrebsrisiko.
Noch vor wenigen Jahren galten Patienten mit lokal fortgeschrittenen Lungentumoren als todgeweiht. „Vor zehn Jahren schätzten wir uns glücklich, wenn fünf bis zehn Prozent dieser Patienten überlebten“, so Dr. Wilfried Eberhardt vom Lungenkrebszentrum am Westdeutschen Tumorzentrum in Essen. Mittlerweile gibt es deutlich erkennbare Fortschritte bei den modernen Lungenkrebs-Therapien. „Heute erlauben uns multimodale Therapieansätze die intelligente Kombination von systemischer Chemo- und lokaler Strahlentherapie, die mit oder ohne chirurgische Eingriffe zum Einsatz kommt. Damit überleben 30 bis 40 Prozent aus dieser Patientengruppe, so dass wir erstmals sagen können, dass auch Lungenkrebs heilbar geworden ist.“
Möglich wurden diese Fortschritte nicht zuletzt durch die enorme Weiterentwicklung der Strahlentherapie. Heute kann viel zielsicherer und effizienter bestrahlt werden als noch vor wenigen Jahren. Zudem werden die chirurgischen Eingriffe immer minimalinvasiver. „Mit den neuen Operationstechniken gelingt es zunehmend organsparend zu operieren. Das ist für die Patienten nicht nur weniger belastend sondern auch für die weitere Prognose wichtig“, so PD Eberhardt. „All diese Entwicklungen machen optimistisch. Die neuen Möglichkeiten der Immuntherapie dazu genommen, dürfen wir hoffen, dass es bald gelingen wird, mehr als 50 Prozent der Fälle mit lokal fortgeschrittenem Lungenkrebs zu heilen."
Nicht weniger vielversprechend ist ein weiterer Behandlungsansatz, der ebenfalls auf den neuen molekularbiologischen Möglichkeiten basiert. Ziel ist es dabei, bestimmte Mutationen in den Tumorzellen ausfindig zu machen, die den Einsatz spezifisch wirksamer Medikamente ermöglichen. „Nach heutigem Stand des Wissens finden wir bei immerhin schon jedem vierten Patienten Tumoren mit solchen Merkmalen“, erklärt Prof. Pirker.
Bei zwölf Prozent der Patienten handelt es sich dabei um Veränderungen im so genannten Epidermal Growth Factor Receptor, kurz EGFR. Über diese Proteine gelangen wachstumsfördernde Botenstoffe ins Zellinnere, die nicht nur das Zellwachstum stimulieren sondern auch den natürlichen Zelltod verhindern. Durch die Verabreichung so genannter Tyrosinkinasehemmer lässt sich das Andocken und Eindringen dieser Botenstoffe verhindern. „Damit gelingt es in 60 Prozent, der für eine solche Behandlung in Frage kommender Fälle, das Fortschreiten der Erkrankung für zumindest ein Jahr hinauszuschieben“, fasst Prof. Pirker zusammen.
„Wohin diese Entwicklung führen wird, können wir heute noch gar nicht abschätzen“, erklärt der Essener Experte Dr. Eberhardt. „Ich kann an alle Verantwortlichen in der Politik und im Medizinbetrieb nur appellieren, weitere Forschungsarbeiten in dieser Richtung zu ermöglichen und zu fördern.“
Quelle: pressetext