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Neuer Therapieansatz für Lungenkrebs

Ein Medikament, das für Knochenschwund und Knochenmetastasen zugelassen ist, kann offenbar auch gegen eine besonders aggressive Form des Adenokarzinoms vorbeugen.

Alle 30 Sekunden stirbt irgendwo auf der Welt ein Mensch an Lungenkrebs. Tochtergeschwülste (Metastasen), die nach einem Primärtumor auftreten können, sind bei Lungenkrebs besonders unvorhersehbar und aggressiv. Nur einer von zehn Menschen überlebt die Diagnose „fortgeschrittener Lungenkrebs“ länger als fünf Jahre. In den 1950er Jahren wurde nachgewiesen, dass Inhaltsstoffe im Tabakrauch die Zellen unseres Körpers genetisch verändern (mutieren lassen) können. Damit wurde einer der prominentesten Auslöser für eine Vielfalt von Krebsarten entdeckt. Vor allem die Zellen der Lunge sind durch Rauchen betroffen, da sie direkten Kontakt mit den krebsauslösenden Stoffen haben. Lungenkrebs ist, wie alle Krebsarten, aber eine sehr komplexe Krankheit, die durch ein Zusammenspiel verschiedener Umweltfaktoren und Gene zum Ausbruch kommt.

Einen Zusammenhang zwischen Geschlechtshormonen und Lungenkrebs hat jetzt ein internationales Forscherteam um Josef Penninger, Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH (IMBA), aufgedeckt (siehe Genes and Development, Online-Veröffentlichung am 8.11.17). Bisher wiesen einige, oft kontroverse, Studien darauf hin, dass Frauen anfälliger für Lungenkrebs sind als Männer, und dass bei Frauen Lungenkrebs aggressiver ausgeprägt ist. Allerdings war bisher kein geschlechtsbedingter Auslöser von Lungenkrebs bekannt.

Ein wesentlicher Key-Player bei der Entstehung von Lungenkrebs ist den aktuellen Erkenntnissen der IMBA-ForscherInnen zufolge das sog. RANK/RANKL-System. Diese zwei Eiweiß-Stoffe (RANK/RANKL) sind dafür zuständig, dass Knochenzellen geordnet ab- und aufgebaut werden. Dieser Mechanismus im Knochenstoffwechsel wird dabei auch von weiblichen Sexualhormonen beeinflusst, die in der normalen Physiologie der weiblichen Brust und von Brustkrebs eine Rolle spielen. Die gute Nachricht: Ein Medikament, das bereits gegen Knochenschwund zugelassen ist und z.Zt. in klinischen Studien gegen hormonbedingten und erblichen Brustkrebs getestet wird, könnte sich nun auch im Kampf gegen Lungenkrebs bewähren.

Eine häufige Form von Lungenkrebs, das Adenokarzinom, verursacht durch eine Mutation des sog. KRAS-Gens, zeichnet sich durch einen besonders aggressiven Krankheitsverlauf aus. Die ForscherInnen untersuchten genau dieses Karzinom in der Lunge von Mäusen und Menschen. Sie stellten fest, dass der bereits bekannte RANK/RANKL Signalweg in den Krebszellen aktiv ist und rasches Tumorwachstum begünstigt. „Schon lange vermuteten ForscherInnen einen Zusammenhang zwischen weiblichen Sexualhormonen und diesem aggressiven Lungenkrebs. Wir haben nun das erste missing link gefunden: RANK/RANKL wirkt bei diesem Karzinom wie eine Art Verstärker, besonders in Lungenkrebsstammzellen, den man gezielt ausschalten kann“, erklärt Shuan Rao, Erstautor der aktuellen Publikation und Postdoktorant am IMBA. Durch die Gabe des bereits zugelassenen Wirkstoffes Denosumab, der RANK blockiert, konnte ein Fortschreiten der Krankheit deutlich verzögert werden. Vor allem bei dieser aggressiven KRAS-Variante des Lungenkrebses könnte der jetzt entdeckte Zusammenhang zwischen Sexualhormonen und Krebsentstehung den Weg für neue Therapiemöglichkeiten ebnen.

„Es fasziniert mich immer wieder, wie vernetzt und geheimnisvoll die Signalwege des menschlichen Körpers funktionieren. Zuerst konnten wir mit Hilfe von RANK/RANKL die Mechanismen der Osteoporose aufdecken, dann gelang es uns, hormonabhängigen Brustkrebs zu erklären und jetzt sind wir bei Lungenkrebs angelangt“, freut sich IMBA Direktor Penninger über das Potenzial der Entdeckungen an seinem Institut. Basierend auf früheren Daten, die zeigen, dass LungenkrebspatientInnen in einer Denosumab-Zulassungsstudie erheblich länger lebten, wird nun die RANKL-Blockade durch Denosumab in einer Phase III-Studie bei fortgeschrittenem Lungenkrebs getestet. „Niemand wusste, wie dies funktioniert. Unsere Daten zeigen nun zum ersten Mal, dass RANKL/RANK direkte Effekte auf die Lungenkrebsentstehung hat - und zwar wahrscheinlich in sehr frühen Entwicklungsstadien - und dass dies ein molekularer Link zu Gender und Geschlechtshormonen ist“, berichtet Josef Penninger. Es sollten daher auch klinische Studien in viel früheren Phasen der Lungenkrebsentstehung gemacht werden, mit einem besonderen Augenmerk auf die Krebsentstehung bei Frauen.

Quelle: IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH