Die Mukosviszidose gehört zu den häufigsten Erbkrankheiten in Deutschland. Jährlich werden etwa 300 bis 400 Kinder mit dieser Erkrankung geboren, die auch Cystische Fibrose (CF) genannt wird. Sie führt zu schweren Funktionsstörungen der Lunge, betrifft jedoch auch andere Organe wie die Bauchspeicheldrüse, den Darm oder die Leber. Bis heute kann die Mukoviszidose nicht geheilt werden. Je früher die Diagnose erfolgt, desto besser können die Patienten jedoch behandelt werden. Starben sie früher meistens schon im Kindesalter, erreichen heute bereits viele Betroffene das vierzigste Lebensjahr.
Eine Studie am Mukoviszidose-Zentrum Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Marcus Mall zeigt, dass Mukoviszidose mit Hilfe eines neu entwickelten Screeningtests bereits bei Neugeborenen erfolgreich entdeckt werden kann. Die Studie, die seit 2008 mehr als 100.000 Neugeborene aus dem Südwesten Deutschlands umfasst, wird von der Dietmar Hopp Stiftung mit rund 330.000 Euro finanziert.
Der neue Screeningtest ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem regulären Mukoviszidose-Neugeborenenscreening in Deutschland, das allen Kindern erstmals eine frühzeitige Diagnose und Therapie ermöglichen würde. Der biochemische Test könnte auch eine Genanalyse überflüssig machen, die bislang zur endgültigen Diagnose auffälliger Kinder notwendig wäre, aber aufgrund der strengen Vorschriften des deutschen Gendiagnostikgesetzes umstritten ist. Dies ist auch der Grund, weshalb es in Deutschland – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern - bis heute kein reguläres Neugeborenenscreening auf Mukoviszidose gibt.
Bislang ist die Mukoviszidose-Diagnose sehr aufwändig. Im Rahmen des regulären Neugeborenenscreenings auf Stoffwechselerkrankungen kann im selben Blutstropfen untersucht werden, ob der Wert eines bestimmten Eiweißstoffes erhöht ist. Ein erhöhter Wert des immunreaktiven Trypsins - der IRT-Wert - ist allerdings noch nicht spezifisch genug. Die klinisch gesicherte Diagnose einer Mukoviszidose erfolgt erst über einen Schweißtest. Dabei wird nach Stimulation der Haut mit einer schweißauslösenden Substanz der Kochsalzgehalt im Schweiß gemessen, der bei Kindern mit Mukoviszidose deutlich erhöht ist. Der Test wird ergänzt durch die gendiagnostische Suche nach einer Mutation im CFTR-Gen (abgekürzt aus dem Engl.: Cystis Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator), also der zugrundeliegenden Ursache einer Mukoviszidose. Aber auch hierdurch können nur 60 bis 70 Prozent der Betroffenen eindeutig identifiziert werden.
Auch ist diese Diagnoseform bisher noch nicht in die Kostenerstattung im Rahmen des regulären Neugeborenenscreenings aufgenommen worden, weil sie sich nicht ohne weiteres mit dem Gendiagnostikgesetz vereinbaren lässt. Hiernach hat ein Patient sowohl ein Recht auf Kenntnis seiner Befunde als auch ein Recht auf Nichtwissen. Diesen Wunsch kann ein Kind aber noch nicht ausdrücken. Außerdem gibt es relativ viele Kinder (etwa eins von 25), die ein gesundes und ein krankes CFTR-Gen aufweisen, also heterozygote Genträger sind. Dann sind sie äußerlich gesund, tragen aber die Anlagen in sich, Mukoviszidose an ihre Nachkommen zu vererben. Auch das würde beim gendiagnostischen Screening entdeckt.
Demgegenüber sucht die Heidelberger Studie im Blut von Kindern mit auffällig hohem IRT-Wert sowohl nach Genmutationen (DNA-Test) als auch nach dem pankreatisassoziierten Protein (PAP-Test), um die Aussagekraft beider Zweittests miteinander zu vergleichen. Das im August 2010 veröffentlichte Zwischenergebnis dieser Studie – in ihm waren bereits 73.759 Neugeborene erfasst – zeigt, dass beide Screeningsequenzen beim Aufspüren einer Mukoviszidose ähnliche Erfolgsraten haben.
In der Studie wurde bisher durch das Screening bei 19 Kindern kurz nach ihrer Geburt eine Mukoviszidose diagnostiziert. Dank frühzeitiger Therapie entwickeln sich die kleinen Patienten gut. Die Behandlung verschafft ihnen eine gute körperliche Konstitution, um sich – zusätzlich zu den notwendigen Therapien – gegen die Lungen-Infektionen, die mit einer Mukoviszidose verbunden sind, zu wappnen.
Die Studie leistet nicht nur einen erheblichen Beitrag auf dem Weg zur Einführung eines regulären Mukoviszidose-Neugeborenenscreenings in Deutschland. Sie ist am Mukoviszidose-Zentrum Heidelberg auch ein wichtiger Baustein für die Untersuchung neuer, präventiver Therapiestrategien.
Quelle: Universitätsklinikums Heidelberg und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg