Nicht-kleinzelliger Lungenkrebs (abgekürzt als NSCLC aus dem Englischen Non-Small Cell Lung Cancer) bildet oft früh Tochterzellen (metastasiert) und geht dann aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten mit einer hohen Sterberate einher. Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) ist es nun gelungen, ein Protein namens BAMBI zu identifizieren, dessen Regulation diese herausfordernden Eigenschaften des NCLC beeinflussen kann (siehe Cancer Research, Online-Veröffentlichung am 17.5.16).
In verschiedenen Stadien einer Lungenkrebserkrankung hat das körpereigene Protein TGF-? (Abkürzung aus dem Englischen Transforming Growth Factor ?) gegensätzliche Wirkungen: In der frühen Phase wird die Entwicklung von Krebszellen gehemmt, indem bösartige (maligne) Zellen durch programmierten Zelltod abgetötet werden. In späteren Stadien fördert der TGF-?-Signalweg dagegen das Vordringen der Krebszellen im Körper (Invasivität) und die Bildung von Tochterzellen (Metastasierung). In der nun publizierten Studie wurde an Gewebeproben fortgeschrittener Tumore gezeigt, dass beim NSCLC entscheidende Moleküle des TGF-?-Signalwegs aktiviert sind. Das bedeutet, dass TGF-? vermehrt an seinen Rezeptor an der Zelloberfläche bindet und dadurch eine Signalkaskade im Inneren der Zelle auslöst. Auf diesem Weg wird eine ganze Reihe von Zielgenen des TGF-?-Signalwegs aktiviert, wodurch letztlich die Metastasierungsfähigkeit der Zelle steigt.
Gleichzeitig kommt in Lungentumorgeweben ein anderes Zelloberflächenprotein – das so genannte BAMBI – seltener vor. BAMBI ist Teil eines Pseudorezeptors, der – im Gegensatz zum funktionellen TGF-?-Rezeptor – kein Signal in die Zelle weiterleitet. Der funktionelle TGF-?-Rezeptor konkurriert nun mit dem BAMBI-Pseudorezeptor um die Bindung von TGF-?. Je weniger BAMBI-Protein sich auf der Zelloberfläche befindet, desto mehr Signal wird daher über den funktionellen TGF-?-Rezeptor in die Zelle weitergeleitet. BAMBI ist somit ein negativer Regulator des TGF-?-Signalwegs. „Durch die verminderte Bildung von BAMBI steigert der Tumor seine Bösartigkeit“, kommentiert Dr. Sebastian Marwitz vom Forschungszentrum Borstel die experimentellen Ergebnisse. Einen Grund für die verminderte Bildung von BAMBI konnten die Wissenschaftler ebenfalls finden: Der Anschalter (Promotor) des BAMBI-Gens weist in Tumorzellen eine stärkere Veränderung (DNA-Methylierung) auf, wodurch das Gen stillgeschaltet wird.
In weiterführenden Versuchen wollten die Wissenschaftler klären, was passiert, wenn man die Tumorzellen so beeinflusst, dass sie wieder mehr BAMBI-Protein produzieren. Verlieren sie dadurch ihre malignen Eigenschaften? In der Tat verhalten sich die so manipulierten Zellen weniger invasiv. „Diese Ergebnisse zeigen die Bedeutung von quantitativen, zeitaufgelösten Untersuchungen für die Entschlüsselung von molekularen Mechanismen, die zur Krebsprogression beitragen können“, erklärt Prof. Ursula Klingmüller vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Auch im Tierversuch bilden sich weniger und kleinere Tumore, wenn man Mäusen Zellen injiziert, in denen die Produktion von BAMBI-Protein zuvor wiederhergestellt wurde. Prof. Torsten Goldmann vom Forschungszentrum Borstel, der die Studie gemeinsam mit Prof. Ursula Klingmüller leitete, bewertet dies wie folgt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Blockierung des TGF-?-Signalwegs eine neue Option zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs ist.“
Quelle: Deutsches Zentrum für Lungenforschung e.V.