Bei Grippekranken kann es oft auch zu Lungenentzündung kommen, weil die Influenza-Viren bei ihrer massiven Vermehrung in den Atemwegen das Flimmerepithel der Schleimhaut zerstören. Die geschädigte Atemwegsschleimhaut bietet dann einen idealen Nährboden für Bakterien, so dass es zu bakteriellen Sekundär- bzw. Superinfektionen kommen kann, die häufig sehr viel schwerer verlaufen als die eigentliche Influenza. Solche sekundären Pneumonien sind besonders oft (in bis zu 95 Prozent der Fälle) für einen tödlichen Verlauf der Grippe verantwortlich. Möglicherweise könnte die Wahl des „richtigen“ Antibiotikums diese Todesfälle senken, behaupten Wissenschaftler um Jonathan McCullers vom St. Jude Children`s Hospital in Memphis (USA) in der Fachzeitschrift Journal of Infectious diseases (2009, Band 199(3), Seite 311-319).
Bisheriger Goldstandard bei der Behandlung von Lungenentzündungen, die in Folge einer Grippe auftreten, sind die so genannten Betalaktam-Antibiotika. Diese bewirken eine schnelle, Bakterien abtötende (bakterizide) Wirkung, vor allem gegen einen der häufigsten Erreger der Pneumonie (Streptococcus pneumoniae), da sie die Zellwand der Bakterien direkt angreifen und schädigen. Allerdings stehen die Betalaktame auch im Verdacht, die entzündliche Abwehrreaktion des Immunsystems gegen Viren und Bakterien zu verstärken, so dass es unter Umständen zu einer entgleisten Überreaktion mit Komplikationen bis hin zum Tod kommen kann.
McCullers und seine Kollegen wollten daher an Mäusen untersuchen, ob andere, nicht-entzündlich wirksame Antibiotika möglicherweise besser geeignet sind. Um den Krankheitsverlauf der sekundären Pneumonie beim Menschen zu imitieren, wurden die Mäuse zunächst mit Grippe-Viren und dann mit bakteriellen Erregern der Lungenentzündung (Streptococcus pneumoniae) infiziert. Bei der Behandlung mit verschiedenen Antibiotikaklassen, stellte sich heraus, dass die Überlebensrate der Mäuse nach der Gabe von Proteinsynthesehemmern wie Clindamycin und Azithromycin am größten war (82 Prozent bzw. 92 Prozent), nach der Gabe von Betalaktamen hingegen vergleichsweise gering ausfiel (56 Prozent, in Kombination mit Clindamycin: 80 Prozent).
Diesen Unterschied erklären sich die Wissenschaftler folgendermaßen: Proteinsynthesehemmer, wie Clindamycin und Azithromycin, haben zwar einen langsameren Wirkungsmechanismus, allerdings erfolgt die Auflösung der Bakterien offenbar schneller. In der Folge verbleiben die toxischen Bakterienbestandteile weniger lange im Blut und die entzündliche Immunantwort fällt insgesamt weniger heftig aus. Tatsächlich traten nach der Behandlung mit Proteinsynthesehemmern deutlich weniger Entzündungszellen und Zytokine auf. Dabei scheint Azithromycin noch eine zusätzliche anti-entzündliche Wirkung zu haben.
Insofern ist bei der Auswahl des „richtigen“ Antibiotikums nicht nur das Kriterium eines schnellen Wirkungseintrittes Ausschlag gebend. Auch eine möglichst gering ausgeprägte entzündliche Abwehreaktion ist dafür entscheidend, welcher Erfolg sich bei der Therapie einstellt. McCullers hofft nun, dass die neuen Erkenntnisse schnellst möglich in die Behandlungsrichtlinien der sekundären Pneumonie nach Influenza aufgenommen werden.