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Neue Strategie, Bakterien zu bekämpfen

Eine alternative Strategie, die konventionelle Antibiotika-Therapien ergänzen könnte, haben Forscher der Goethe-Universität Frankfurt am Main anhand eines Legionellen-Toxins entwickelt.

Die steigende Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen macht es zunehmend schwerer, gewöhnliche Erkrankungen wie Lungenentzündung oder Salmonellose wirksam zu behandeln. Ursachen für Resistenzen sind der sorglose Umgang mit Antibiotika und die seit mehr als 30 Jahren bestehende Innovationslücke bei der Entwicklung neuartiger Wirkstoffe. Das hat auch wirtschaftliche Konsequenzen: Die Weltbank hat kürzlich berechnet, dass durch Antibiotika-Resistenzen die Bruttoinlandsprodukte weltweit bis zum Jahr 2050 zwischen 1,1 und 3,8 Prozent abnehmen könnten.

Nun haben Forscher der Goethe-Universität Frankfurt am Main den molekularen Wirkmechanismus eines Legionellen-Toxins aufgeklärt und darauf basierend einen ersten Hemmstoff (Inhibitor) entwickelt (siehe Nature, Online-Veröffentlichung am 23.5.2018).

Alternativ zur direkten Bekämpfung von Bakterien besteht ein vielversprechender Ansatz, mikrobielle Infektionen unter Kontrolle zu bringen, darin, die Schäden in den Zellen und Geweben lokal zu begrenzen. Dazu müssen die von den Bakterien ausgeschütteten Toxine gezielt ausgehebelt werden. Das Forscherteam von Prof. Ivan Dikic, Direktor des Instituts für Biochemie II an der Goethe-Universität Frankfurt, arbeitet seit zehn Jahren in diesem Feld. „Wir glauben, dass wir die konventionelle Antibiotika-Therapie ergänzen können, indem wir bakterielle Effektorproteine gezielt mit rational entwickelten Wirkstoffen ausschalten. So können wir den Patienten helfen, die Infektion zu bewältigen. Das Konzept ist noch relativ neu, erregt aber unter Wissenschaftlern immer mehr Aufmerksamkeit“, erklärt Prof. Dikic.

Wie die neue Strategie umgesetzt werden könnte, versucht er mit seinem Team am Beispiel von Legionellen herauszufinden. Diese Bakterien verursachen Lungenentzündungen und sind insbesondere für immungeschwächte Patienten gefährlich. Erst kürzlich war das Dikic-Team an der Entdeckung eines neuen enzymatischen Mechanismus beteiligt, durch den Legionellen die Kontrolle über ihre Wirtszellen übernehmen. „Wir haben gezeigt, dass die Legionellen mithilfe eines Enzyms, (SdeA) einen der wichtigsten zellulären Mechanismen zum Schutz vor Stress aushebeln, nämlich das Ubiquitin-System. SdeA ist demnach ein toxischer Effektor, der die Verbreitung von Bakterien in der Zelle fördert“, erläutert Dr. Sagar Bhogaraju, der am universitären Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften im Labor von Dikic arbeitet.

Schließlich ist der Gruppe von Prof. Ivan Dikic ein weiterer Durchbruch gelungen: Sie konnte die atomare Struktur von SdeA aufklären und herausfinden, wie das bakterielle Enzym seine zellulären „Opfer“ vermutlich auswählt. „SdeA erzielt seine Wirkung, indem es Ubiquitin an die Proteine der Wirtszelle anheftet. Das Enzym ist einzigartig in seinem Mechanismus, mit dem es eine zweistufige Reaktion katalysiert“, kommentiert Mitarbeiterin Dr. Sissy Kalayil. Aufgrund der Studienergebnisse ließ sich dieser Prozess im atomaren Detail aufklären, was das rationale Design von Hemmstoffen ermöglichte.

Einen ersten Hemmstoff (Inhibitor), der das Legionellen-Enzym zumindest im Reagenzglas blockieren kann, haben die Forscher bereits entwickelt. „Durch Aufklärung der grundlegenden Struktur konnten wir nun den Beweis erbringen, dass diese bakteriellen Enzyme gezielt angreifbar sind. Dennoch liegt noch ein langer Weg vor uns, bevor wir den neuartigen Mechanismus möglicherweise therapeutisch nutzen können“, berichtet Prof. Dikic. „Aber wir bleiben dran, denn sehr wahrscheinlich sind Legionellen nicht die einzigen Bakterien, die diesen Mechanismus nutzen.“

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main