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Neue Richtlinien für die Verteilung von Spenderlungen

Seit dem 10. Dezember 2011 gelten neue Richtlinien, die bestimmen, welcher bedürftige Patient als nächstes eine gespendete Lunge erhalten soll. Beispielsweise soll die bisherige Wartezeit der Organbewerber kein Kriterium mehr für eine Organvergabe sein.

Das bisherige Transplantationsgesetz gibt vor, bei der Verteilung von Organen vorrangig zwei Kriterien - Erfolgsaussichten und Dringlichkeit - zu berücksichtigen. Das hat sich in der Praxis allerdings als kam realisierbar erwiesen, zumal bei einer hohen Dringlichkeit (d.h. z.B. drohendem Tod des Patienten, wenn nicht sehr bald eine Transplantation erfolgen sollte) die Erfolgsaussichten in vielen Fällen bereits sehr gering sind. Ein weiteres Problem sind bislang fehlende Definitionen – z.B. des Begriffes „sehr bald“: Der betreffende Zeitraum kann nicht definiert werden, weil er nicht genau vorhersagbar ist.

Deshalb hat jetzt die Bundesärztekammer (BÄK) die Richtlinien für die Verteilung von Spenderlungen überarbeitet: Grundlage ist seit dem 1. Dezember 2011 der so genannte Lungenallokations-Score (LAS), der in den USA entwickelt wurde und dort seit 2005 angewandt wird. Dieser LAS ermittelt Erfolgsaussicht und Dringlichkeit anhand von mehr als zwanzig medizinischen Parametern sowie hinsichtlich des Alters, der Größe und des Körpergewichts des Bewerbers. Dabei ergibt sich ein Wert zwischen 0 und 100, der die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten innerhalb eines Jahres mit und ohne Lungentransplantation angibt. Je höher der Wert ausfällt, desto mehr sollte der Patient von einer Transplantation profitieren, umso weiter nach vorne auf der Warteliste wird er also rücken. Bei einem LAS-Wert von 50 wird die gesundheitliche Verfassung des Patienten alle zwei Wochen erneut erhoben, bei einem Wert unter 50 alle drei Monate.

„Das LAS-System objektiviert den jeweiligen Wartelistenstatus und sorgt auch für Transparenz, denn jeder Lungenkranke kann nun (…) über die Richtlinie seinen Score für sich errechnen“, schreiben die Herz- und Thoraxtransplantationsmediziner Prof. Martin Strüber von der Medizinischen Hochschule Hannover und Prof. Hermann Reichenspurner vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf in einer Einführung zur neuen Richtlinie (Deutsches Ärzteblatt 2011, Band 108(45), Seite A-2424).

In der neuen Regelung wird die bisherige Wartezeit der Patienten als nicht-medizinisches Kriterium angesehen und kann daher nicht mehr als Kriterium für die Zuteilung einer Spenderlunge dienen. Bisher stellte die Wartezeit für die Zuteilung einer Spenderlunge sogar das wichtigste Kriterium innerhalb des jeweiligen Status dar - also innerhalb der Gruppen ‚hoch dringlich’, ‚dringlich’ oder ‚transplantabel’. Es kam in dem alten System allerdings vor, dass Patienten zum Zeitpunkt der Transplantation bereits zu krank waren, um diese zu überleben – und das soll künftig vermieden werden, erläutert Dr. Axel Rahmel, Ärztlicher Direktor von Eurotransplant in Leiden. Der LAS soll auch die bisherige Einstufung als ‚dringlich’ oder ‚hoch dringlich’ (urgency, high urgency, U/HU) ersetzen . „Der LAS ist aus meiner Sicht gerechter als das frühere System, weil es für jeden einzelnen Patienten, der zwölf Jahre oder älter ist, den individuellen Vorteil abschätzt. Es macht keinen Sinn, für die Einführung eines besseren Systems längere Übergangsfristen zu schaffen“, meint Dr. Rahmel.

Andererseits bemängeln Patientenverbände wie die Selbsthife-Organisation Lungenemphysem/COPD und der Bundesverband der Organtransplantierten (BdO), dass sie sich mehr Vorlaufzeit für die Vermittlung der neuen Richtlinien gegenüber Patienten gewünscht hätten „Es kann sein, dass ein Patient, der seit Monaten stationär ist und auf das lebensrettende Organ wartet, nun eine geringere Chance hat, ein Transplantat zu erhalten, weil die Wartezeit nicht mehr berücksichtigt wird“, kritisiert Jens Lingemann, selbst COPD-Patient und Vorsitzender der Selbsthife-Organisation Lungenemphysem/COPD.

Quelle: Deutsche Ärztezeitung