Patienten mit chronischen Lungenleiden müssen sich oft invasiven Untersuchungen wie Bronchoskopien zur Diagnose und Verlaufskontrolle ihrer Erkrankungen unterziehen. Eine neue Methode, die die Ausatemluft von Patienten analysiert, könnte in Zukunft viele dieser recht aufwendigen Untersuchungen ersetzen. Ein Kooperationsprojekt der Leibniz Universität Hannover, der Medizinischen Hochschule Hannover, des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM in Hannover und der RWTH Aachen untersucht Aerosole in der Ausatemluft, um herauszufinden, welche Mechanismen in der erkrankten Lunge ablaufen. Mit der Methode soll man voraussichtlich auch Frühformen der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) früher erkennen und behandelt können. Anhand der Größe und Anzahl der ausgeatmeten Aerosol-Tröpfchen will man erkennen, ob ein Frühstadium der Krankheit vorliegt bzw. wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist.
Ein Team unter der Leitung von Prof. Jörg Seume vom Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik der Leibniz Universität entwickelt im Projekt, das seit 2007 läuft, ein Simulationsmodell der Abläufe in der Lunge. Zum Vergleich stehen den Wissenschaftlern Daten zur Verfügung, die an der Medizinischen Hochschule bei Lungenfunktionsprüfungen gesammelt werden. Die Mediziner analysieren, wie viele Aerosole ein Patient ausatmet. Diese Aerosole sind nicht-flüchtige Tröpfchen mit einer Größe im Mikrometer-Bereich (Tausendstel Millimeter), die in der Ausatemluft festgestellt werden können. Am Institut wird ein im Computer erzeugtes Atemwegmodell erstellt, das mithilfe von Strömungssimulationen die Vorgänge in der Lunge nachstellt. „Unsere ersten Ergebnisse für die Vorgänge in gesunden Lungen haben die medizinischen Studien bestätigt“, sagt Heide von Seggern, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut. „Aktuell laufen Untersuchungen zur Tröpfchenbildung in erkrankten Lungen.“
Die Wissenschaftler haben zunächst analysiert, wie die Aerosolentstehung in der Lunge überhaupt funktioniert. Die Vorgänge der Tröpfchenbildung zu ergründen, ist vor allem deshalb so schwierig, weil es mit dem Bronchoskop nicht möglich ist, in die winzigen Strukturen der unteren Atemwege zu gelangen, um dort die Aerosolentstehung direkt zu beobachten. Die Computermodelle, die am Institut entwickelt werden, dienen dazu, die Tröpfchenbildung in den kleinsten Atemwegen zu verstehen. Erst auf der Grundlage dieses Verständnisses der Vorgänge innerhalb der Lunge sollen künftig die Ergebnisse der Analyse der Ausatemluft bewertet werden.
In den unteren Atemwegen legt sich während der Ausatmung durch die gegenseitige Annäherung der Lungenbläschenwände ein geschlossener Flüssigkeitsfilm über die Lungenbläschen. Dieses proteinhaltige Fluid (der so genannte Surfactant) schützt die Lunge vor Austrocknung und dem Zusammenfallen. Die Strömungssimulationen der hannoverschen Wissenschaftler zeigen, dass bei der Einatmung, während der sich die Wände wieder voneinander entfernen, der fluide Film zunächst erhalten bleibt, ähnlich wie bei Seifenblasen. Im Verlauf der Einatmung dehnen sich die Lungenbläschen jedoch so weit auf, dass der ausgedünnte Film irgendwann platzt. Durch das Platzen entstehen Tröpfchen, die beim Ausatmen nach außen befördert werden- und somit messbar sind.
Die Oberflächenspannung des Fluidfilms hat Einfluss auf die Größenverteilung der Tropfen. Es soll geklärt werden, welchen Einfluss die entzündlichen Verengungen (Obstruktionen) der unteren Atemwege, die für COPD typisch sind, auf die Tropfenbildung haben. Durch die Untersuchung der Ausatemluft hofft man, in Zukunft beginnende COPD-Erkrankungen bei Rauchern, die selber noch nichts von ihrer Lungenerkrankung wissen, eher erkennen zu können. Dadurch könnten sie früher behandelt und ihre Prognose verbessert werden.
Quelle: Leibniz Universität Hannover