Neue Ansätze gegen multiresistente Keime zu entwickeln - das ist das Ziel des Bayerischen Forschungsnetzwerks „Neue Strategien gegen multiresistente Krankheitserreger mittels digitaler Vernetzung – bayresq.net“, das mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert wird. In dessen Rahmen fördert der Freistaat Bayern ab 2020 sechs interdisziplinäre Forschergruppen.
Eines der Projekte nutzt das Potenzial neuer digitaler Methoden und künstlicher Intelligenz zur Bekämpfung multiresistenter Tuberkulose-Erreger. Geleitet wird es von den Wissenschaftlern PD Dr. Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum München und vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Prof. Dr. Michael Hoelscher vom Tropeninstitut am LMU Klinikum und Prof. Dr. Dr. Fabian Theis sowie Dr. Michael Menden von der Technischen Universität München (TUM)/Helmholtz Zentrum München.
Tuberkulose ist die tödlichste Infektionserkrankung des Menschen und fordert weltweit jährlich circa 1,5 Millionen Todesopfer. Für die erfolgreiche Behandlung der Lungenerkrankung wird ein Mix aus verschiedenen Medikamenten verabreicht. Problematisch wird es, wenn die bakteriellen Erreger eine Unempfindlichkeit gegenüber bisher wirksamen Tuberkulose-Medikamenten (Resistenz) bilden. Um die Ausbreitung der Tuberkulose zu verhindern, müssen daher nicht nur neue Antibiotika entwickelt, sondern auch immer neue Wirkstoffkombinationen gefunden werden. Geeignete ‚Medikamentencocktails‘, die auch gegen resistente Bakterien wirksam sind, können bislang nur durch teure klinische Studien identifiziert werden. Es mangelt an nicht-klinischen, im Labor durchführbaren Ansätzen, die das Zusammenspiel neuer Wirkstoffe vorhersagen können.
Das wollen die Münchner Wissenschaftler ändern. „Mit unserem Projekt wollen wir das dringend benötigte präklinische Labormodell entwickeln, um neue Wirkstoffkombinationen für die Tuberkulose-Behandlung bereits im vorklinischen Stadium vorherzusagen“, beschreibt Prof. Michael Hoelscher vom Tropeninstitut am LMU Klinikum das Forschungsvorhaben. „Wir setzen selbstlernende Algorithmen ein, um das Zusammenspiel von verschiedenen Medikamenten bei der Wirkung auf den Stoffwechsel der Tuberkuloseerreger, den Mykobakterien, zu verstehen“, erläutert Prof. Fabian Theis von der Technischen Universität München (TUM)/Helmholtz Zentrum München. „Besonderes Interesse besteht darin, biologische Moleküle zu bestimmen, die Resistenzmechanismen wiederspiegeln, und herauszufinden, wie wir dies gezielt mit Medikamenten reversieren (= außer Kraft setzen) können“, fügt Dr. Michael Menden vom Helmholtz Zentrum München hinzu.
Mithilfe einer neuen, an der LMU entwickelten experimentellen Technik kann die Neubildung von vielen Biomolekülen in Mykobakterien dynamisch (d.h. über die Zeit) gemessen werden. „Dadurch können wir die Veränderung der Stoffwechselwege von Tuberkulose-Erregern während der Behandlung mit Antibiotika beobachten. Dies ermöglicht es uns, die Wirkung verschiedener Antibiotika sowohl einzeln als auch in Kombination zu charakterisieren“, schildert Dr. Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum München und vom Max von Pettenkofer-Institut der LMU, das Vorgehen.
Die dabei entstehenden dynamischen Daten über die Wirkungsweise werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Systembiologie modelliert, um ein besseres Verständnis des Erregers zu erhalten. So wollen die Forscher herausfinden, welche Wirkstoffe ideal zusammenpassen. Auf dieser Basis könnten künftig neue Kombinationen von Medikamenten für die Behandlung von Tuberkulose entwickelt werden, die auch gegen resistente Erreger wirksam sind.
Mit ihrer interdisziplinären Grundlagenforschung vereinen die Münchner Wissenschaftler Kompetenzen aus Fachgebieten wie analytischer Chemie, Bioinformatik, Künstlicher Intelligenz, medizinischer Mikrobiologie und Tropenmedizin. Mit dem neuen digitalen Forschungsansatz erweitert das Tropeninstitut München sein bisheriges Portfolio und könnte sich mit seinen Kooperationspartnern zunehmend zu einem Zentrum der Tuberkuloseforschung entwickeln.
Quelle: Klinikum der Universität München