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Nanotransporter sollen Hyposensibilisierung verträglicher machen

Zur schrittweisen Gewöhnung an Allergieauslöser (Hyposensibiliserung) eingesetzte Nanotransporter, die das Allergen erst am Zielort entleeren, sollen für Allergiker besser verträglich sein.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Allergiepatienten dramatisch erhöht. Bislang ist die spezifische Immuntherapie die einzige Therapie zur Behandlung von Allergien, die direkt bei den Ursachen ansetzt. Bei dieser Therapie, auch Hyposensibilisierung genannt, werden Allergene verabreicht, um den Körper allmählich an den Allergieauslöser zu gewöhnen – was allerdings auch mit teilweise schweren Nebenwirkungen einhergehen kann. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun ein neues Konzept vorgestellt, das eine schonendere Hyposensibilisierung ermöglichen könnte. Die Allergene für die Allergieimpfung werden dazu in Nanokapseln verpackt und in diesen direkt zum Einsatzort transportiert. Die Arbeit geht auf eine Kooperation von Medizinern der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz und Chemikern vom Institut für Organische Chemie zurück (siehe Biomacromolecules 2015, Band 16/10, Seite: 3103–3111).

Die spezifische Immuntherapie ist eine langdauernde Allergietherapie zur Toleranzentwicklung, die unter anderem bei Allergien gegen Hausstaubmilben oder Pollen mit teilweise sehr guten Erfolgen eingesetzt wird. Sie kann aber auch schwere Nebenwirkungen bis hin zum anaphylaktischen Schock auslösen. Diese Nebenwirkungen könnten mit dem neuen Konzept der Nanotransporter reduziert werden. „Wir verstecken die Eiweißsubstanzen für die Allergieimpfung in den Nanokapseln, bis sie zu dem Ort kommen, wo sie wirken sollen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Holger Frey vom Institut für Organische Chemie das Prinzip.

Als Verpackung und Transportvehikel dient Polyethylenglykol (PEG), eine Substanz, die in verschiedenen Bereichen der Medizin und Kosmetik eingesetzt wird und in der Pharmazie z.B. als Wirkstoffträger oder Lösevermittler dient. „Wir haben nanometergroße Kapseln erzeugt, die sich erst öffnen, wenn sie innerhalb der Zellen in saures Milieu kommen. Sie haben molekulare Sollbruchstellen und können dann am Zielort ihre Fracht entladen“, führt Prof. Dr. med. Joachim Saloga von der Hautklinik aus. Die Nanokapseln werden zu diesem Zweck unter die Haut verabreicht, sodass sie nicht in den Magen gelangen, wo auch ein saures Milieu vorherrscht, sondern im Gewebe von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen werden und so in deren Lysosomen (das sind Zellorganellen, die mit Verdauungsenzymen gefüllt sind) gelangen, wo sie wirken sollen.
In der Studie stellt das Forscherteam eine einfache Strategie zur Synthese der säureempfindlichen PEG-Nanotransporter vor, die bei einem pH-Wert von 5 zerfallen, was dem physiologischen pH-Wert im Endolysosom entspricht. Die PEG-Verpackung öffnet sich also in einem entsprechenden Milieu und zerfällt dann innerhalb von einigen Tagen in ihre Bestandteile.
Das neue Konzept konnte bisher in Zellstudien, aber auch in ersten Tierstudien mit Erfolg geprüft werden. „Unsere Studien haben gezeigt, dass die PEG-Nanotransporter mit ihrer Proteinfracht von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen wurden“, so die Chemikerin Hannah Pohlit. „Für die Patienten ist es von großem Vorteil, wenn wir die allergieauslösenden Impfsubstanzen von den körpereigenen Abwehrstoffen, den Immunglobulinen, abschirmen können, bis sie am richtigen Platz angekommen sind“, ergänzt PD Dr. Iris Bellinghausen von der Hautklinik der Universitätsmedizin.
In Zukunft wollen die beteiligten Wissenschaftler an einem „molekularen Adressaufkleber“ für die Nanokapseln arbeiten. Vergleichbar mit Adressetiketten bei einem Paket oder Gepäckstück würde an der Außenseite der Nanokapseln eine Substanz angebracht, die den Weg bis zum Zielort weist. Während die Mainzer Wissenschaftler zunächst weiter mit Allergenen arbeiten, zeigen sie sich überzeugt davon, dass das Prinzip grundsätzlich auch für andere Erkrankungen geeignet ist und die Verpackung von Proteinen in Nanokapseln eine noch breitere Anwendung finden könnte.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz