Die Therapie der gefährlichen Infektionskrankheit Tuberkulose steht vor der Herausforderung, dass Erreger häufig gegen mehrere gängige Antibiotika widerstandsfähig (resistent) sind. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun Nanopartikel entwickelt, die in Zukunft neue Antibiotika direkt in die Lunge transportieren könnten. Tenside sorgen dafür, dass sich die hoch fettlöslichen Antibiotika in Wasser fein verteilen und inhalieren lassen. Erste Tests am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, zeigen die hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit der so genannten Antibiotika-Nanocarrier (siehe ACS Nano, online seit 9.5.2023).
Weltweit ist die Tuberkulose die Infektionserkrankung mit den höchsten Todesfallzahlen. Wie die WHO berichtet, nehmen überdies vor allem therapieresistente Tuberkuloseinfektionen zu. Auch in Deutschland kann es zu Erkrankungen durch diese bakterielle Infektion kommen. Die Tuberkulose stellt aus zwei Gründen eine besondere Herausforderung dar: Erstens kapseln sich die Erreger (Bakterien) im Gewebe ein, meist in der Lunge, und können über Jahre inaktiv bleiben, um dann lange nach der primären Infektion Symptome auszulösen. Zweitens zeigen Tuberkulose-Bakterien häufig Resistenzen, mindestens gegen zwei der gängig eingesetzten Antibiotika. Das vermehrte Auftreten therapieresistenter Erregerstämme ist auf unzureichende Wirkstoffkonzentrationen am Ort der Infektion und vorzeitigen Behandlungsabbruch unter anderem wegen der häufig erheblichen Nebenwirkungen der Antibiotika zurückzuführen.
Ein nanomedizinischer Ansatz kann dabei helfen, die Entwicklung weiterer Resistenzen zu verringern: Nanopartikel sollen als Träger neuer Antibiotika dienen und diese zielgerichtet zu Infektionsherden und infizierten Zellen bringen. So lässt sich die Wirkstoffkonzentration in der Lunge lokal erhöhen. „Die neu entwickelten Antibiotika sind allerdings häufig lipophil, das heißt fettlöslich, und lassen sich in Wasser nicht oder schwer verabreichen. Daher werden sie aus Magen, Blut und Zellflüssigkeit bisher nur schlecht aufgenommen“, erklärt Prof. Claus Feldmann, Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Anorganische Chemie (AOC) des KIT.
Aktuell werden an Tuberkulose erkrankte Patientinnen und Patienten mit hohen Dosen über einen langen Zeitraum behandelt, um die Erreger in den Infektionsherden zu erreichen. Die zum Teil schweren Nebenwirkungen wie Leberschädigungen sind häufig Gründe für Therapieabbrüche mit der Folge weiterer Resistenzentwicklung. Künftig sollen die Nanopartikel dabei helfen, Antibiotika zielgerichtet zu transportieren. „Wir haben schon einige Nanocarrier für den Transport von Antibiotika gegen die Tuberkuloseerreger in Mäusen getestet, aber erst die neuen Nanocarrier unserer Kolleginnen und Kollegen vom KIT haben mich davon überzeugt, dass es möglich ist, gezielt und hochdosiert Antibiotika in die Tuberkuloseherde der Lunge zu bringen, ohne dabei andere Organe in Mitleidenschaft zu ziehen“, erläutert Prof. Ulrich E. Schaible, Leiter der Zellulären Mikrobiologie und Direktor des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum.
Am Institut für Anorganische Chemie des KIT ist es gelungen, Nanopartikel mit Tuberkulose-Antibiotika herzustellen, die extrem hohe Wirkstoffgehalte aufweisen. „Der Antibiotikumgehalt beträgt bis zu 99 Prozent des Gesamtgewichts der Partikel“, berichtet Feldmann. „Bisher waren nach dem Stand der Literatur höchstens zehn Prozent möglich.“ Die am KIT entwickelten Nanocarrier lassen sich in Wasser dispergieren, also fein verteilen, und als Aerosol tief in der Lunge verabreichen. Am Forschungszentrum Borstel haben Forschende unter Leitung des Tuberkulose-Experten Schaible in Kooperation mit weiteren Partnern in Deutschland, Österreich und Belgien die Wirksamkeit der Nanopartikel getestet und eine hohe Wirksamkeit sowohl im Labor als auch im lebenden Organismus festgestellt. Die Arbeit lief innerhalb des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens ANTI-TB. Die Forschenden berichten in der von der American Chemical Society (ACS) herausgegebenen Zeitschrift ACS Nano. Inzwischen haben sich das KIT und das Forschungszentrum Borstel die Methode gemeinsam patentieren lassen. „Bis diese Aerosolformulierung beim Menschen angewendet kann, sind jedoch noch viele Vorarbeiten notwendig“, so Schaible.
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie