Neugeborene, die mittels Kaiserschnitt auf die Welt gebracht werden, haben häufiger Schwierigkeiten mit den ersten Atemzügen und weitere Atemfunktionsstörungen als Kinder, die normal entbunden werden (also über den vaginalen Geburtskanal oder per Notkaiserschnitt, nachdem bereits die Wehen eingesetzt haben). Darauf weisen die Lungenärzte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Werne unter Berufung auf die Ergebnisse einer aktuellen wissenschaftlichen Studie aus Dänemark (BMJ, Online-Ausgabe am 11.12.07) hin. „Das Risiko für respiratorische Störungen ist auch dann noch deutlich erhöht, wenn der Kaiserschnitt zeitlich nah am errechneten Geburtstermin vorgenommen wird“, betont Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der DGP, der die Lungenklinik Kloster Grafschaft im sauerländischen Schmallenberg leitet. „Das ist wahrscheinlich auf den beim Kaiserschnitt fehlenden Katecholamin-Stoß zurückzuführen. Diese Stresshormone werden bei einer normalen, vaginalen Geburt von der Mutter auf Grund der Wehen und Schmerzen beim Durchtritt des Kindes durch den engen Geburtskanal (oder auch nach Einsetzen der Wehen bei einem Not-Kaiserschnitt) ausgeschüttet und stellen somit eine natürliche Begleiterscheinung dar, die allerdings offenbar auch für die Entfaltung der Lungen des Neugeborenen förderlich und notwendig sind. So sorgen die Katecholamine bei einer vaginalen Geburt dafür, dass weniger Flüssigkeit in die Lungen des Kindes abgesondert wird und gleichzeitig die Bildung eines wichtigen Stoffes angekurbelt wird - nämlich des so genannten Surfactants, der die Lungenbläschen weitet und dem Kind die ersten Atemzüge erleichtert.“
Nach einem Kaiserschnitt fehlt den Lungenbläschen ein Schutzfilm
Der Surfactant, der aus einem Gemisch von Eiweißen und Fetten besteht, wird von den Lungenbläschen (Alveolen) gebildet und unterstützt die Atmung. Er stellt eine Art Schutzfilm für die Lungenbläschen dar und fungiert dabei als grenzflächenaktiver Faktor, der die Oberflächenspannung der Lungenbläschen verringert. Wenn bei der Ausatmung die Alveolen kleiner werden, verdickt sich der Surfactant-Film an ihrer Oberfläche und verhindert so, dass die Lungenbläschen in sich zusammenfallen (kollabieren). Erweitern sich die Lungenbläschen bei der Einatmung, wird der Schleimfilm zwar dünner, aber die Tendenz zu kollabieren ist dann ebenfalls vermindert. Für die erwähnte dänische Studie sind die Daten von 35.000 Kindern ausgewertet worden, die zwischen der 37. und 41. Schwangerschaftswoche ohne Behinderungen auf die Welt gekommen sind. Darunter waren insgesamt 2687 Kaiserschnitte, die ohne medizinische Notwendigkeit durchgeführt worden sind, und davon wiederum 788 Kaiserschnitte, die auf den ausdrücklichen Wunsch der Mutter vorgenommen wurden. „Solche Kaiserschnitte sind in den letzten Jahren deutlich häufiger geworden“, kommentiert Köhler.
Kaiserschnitt ist für das Kind nicht stressfreier – im Gegenteil!
„Viele Schwangere scheuen offenbar die Schmerzen und Anstrengungen einer vaginalen Geburt; manche meinen sogar, dass sich die Geburt per Kaiserschnitt auch für das Kind stressfreier gestalte“, berichtet Köhler. „Dem ist allerdings nicht so – vielmehr müssen die Kinder nach einem Kaiserschnitt auf Wunsch sehr viel stärker um ihren Atem ringen als nach einer vaginalen Geburt, wie die dänische Studie aufgezeigt hat. So traten schwere Komplikationen, die eine Sauerstofftherapie oder Beatmung erforderlich machen, nach einem Kaiserschnitt rund fünfmal häufiger auf. Bei jedem zehnten Kind, das in der 37. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geholt wurde, kam es zu respiratorischen Problemen – wie z.B. eine vorübergehend gesteigerte Atemfrequenz oder aber ein dauerhafter Lungenhochdruck. Bei Kindern, die ebenso früh aber vaginal entbunden wurden, werden solche Störungen hingegen etwa viermal seltener beobachtet. Angesichts dieser Zahlen kann man den Kaiserschnitt auf Wunsch der Mutter also wirklich nicht als die komplikationslosere oder schonendere Methode ansehen - geschweige denn empfehlen, solange dazu keine medizinische Notwendigkeit besteht“, meint Köhler.