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Molekulare Schere entscheidet über Therapieerfolg bei Lungenkrebs

Mit Hilfe einer molekularen Schere bahnen sich Tochtergeschwulst bildende (metastasierende) Krebszellen beim Einwandern in benachbarte Gewebe den Weg. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universitätsmedizin Mannheim gehen davon aus, dass diese u-PAR genannte Schere als Indikator für den Therapieerfolg beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs fungieren könnte. Denn je mehr u-PAR die Tumorzellen bilden, desto schlechter wirkt das Krebsmedikament Cetuximab.

In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Krebsmedikamenten entwickelt, die sich gezielt gegen bestimmte Schlüsselmoleküle der Tumorzellen richten. Dazu zählt auch der Antikörper Cetuximab, der an ein Eiweißmolekül andockt, das viele Krebsarten im Übermaß auf ihrer Zelloberfläche tragen. Wird dieses Oberflächenmolekül - der so genannte Wachstumsfaktor-Rezeptor EGF-R - durch Cetuximab blockiert, dann empfängt die Krebszelle weniger Signale, die sie zur Zellteilung anregen. Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom, dem häufigsten Lungenkrebs deuten bisherige klinische Studien allerdings darauf hin, dass nur ein Teil der Patienten von einer Behandlung mit Cetuximab profitiert. Ärzte suchen daher dringend nach Biomarkern, die ein Ansprechen auf die Antikörpertherapie zuverlässig vorhersagen.

Prof. Heike Allgayer leitet die Abteilung Experimentelle Chirurgie der Medizinischen Fakultät Mannheim an der Universität Heidelberg und die Klinische Kooperationseinheit Molekulare Onkologie solider Tumoren im Deutschen Krebsforschungszentrum. Die Wissenschaftlerin vermutet, dass der therapeutische Antikörper Cetuximab vor allem einzelne Krebszellen unschädlich machen kann, die sich vom Primärtumor abgelöst haben, in andere Gewebe einwandern und dort zu einer Tochtergeschwulst auswachsen. An Zelllinien des Bronchialkarzinoms hat sie mit ihrem Team nachweisen können, dass Cetuximab das Wachstum und Einwandern der Krebszellen hemmt und so die Häufigkeit von Metastasen verringert (siehe Cancer Research (2009), Band 69, Seite 2461-2470).

Für ihre Invasion in umgebendes, gesundes Gewebe benötigen Krebszellen bestimmte Proteine, die wie molekulare Scheren wirken und ihnen den Weg frei schneiden. Eine dieser Scheren ist das Protein u-PAR, das als Markermolekül für die Invasionsfähigkeit von Krebszellen gilt. Allgayers Team hat herausgefunden, dass die Krebszellen nach Behandlung mit Cetuximab weniger u-PAR ausbilden. Offenbar blockiert der Antikörper die uPAR-Produktion der Zelle. Schalteten die Wissenschaftler mit einem genetischen Trick die u-PAR-Produktion hingegen aus, so schlug die Cetuximab-Behandlung wieder an. Außerdem konnten sie zeigen, dass nicht-kleinzelliger Lungenkrebs vor allem dann gegen Cetuximab-Behandlung resistent ist, wenn die Krebszellen große Mengen an u-PAR ausbilden.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass u-PAR beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs ein Indikator für den Erfolg einer Cetuximab-Behandlung sein könnte“, erläutert Allgayer. „Je mehr u-PAR die Zellen bilden, desto weniger sprechen sie auf das Medikament an.“ Im Einklang damit stehen erste Beobachtungen an Lungenkrebs-Patienten: Tumorzellen von Personen, die nicht auf Cetuximab ansprachen, produzierten in der Regel größere Mengen der molekularen Schere u-PAR. Überraschend war, dass EGF-R selbst, das Zielmolekül des Medikaments Cetuximab, nicht mit dem Ansprechen korrelierte. Weitere Untersuchungen müssen diese Resultate noch absichern. „Wir wollen Möglichkeiten finden, das Medikament gezielt nur denjenigen Patienten zu verordnen, die auch davon profitieren können“, betont Allgayer. „Die Suche nach geeigneten Biomarkern ist eine der dringlichsten Aufgaben bei der Einführung der neuen, zielgerichteten Therapeutika.“