Jährlich erkranken mindestens 10.000 Menschen an bösartigen Kopf-Hals-Tumoren. Trotz guter Behandlungserfolge durch Operation, Bestrahlung und/oder Chemotherapie entwickelt ein Großteil der Patienten nach der Erstbehandlung einen wiederkehrenden Tumor (Rezidiv) oder gar mehrere, über den Körper verteilte Tochtergeschwülste (Fernmetastasen). Wie sich Krebszellen gegen eine Behandlung mit Chemotherapeutika zur Wehr setzen und so versuchen, ihr Überleben zu sichern, haben jetzt Wissenschaftler um Prof. Roland Stauber von der Mainzer Universitäts-HNO-Klinik herausgefunden. Dabei spielen sowohl der Botenstoff Stickstoffmonoxid (NO) als auch das Eiweiß Survivin eine Rolle, wie im International Journal of Cancer (2008), Online-Vorabveröffentlichung am 10.12.08. zu lesen ist. Einen ähnlichen Mechanismus, der ebenfalls über die so genannte "NO/Survivin-Achse" abläuft, wie er jetzt bei den Kopf-Hals-Tumoren entdeckt worden ist, hatten die Wissenschaftler zuvor bereits bei Eierstockkarzinomen beobachtet (siehe Cancer Research (2008), Band 68, Seite 5159-5166). Dies lässt vermuten, dass es sich bei der "NO/Survivin-Achse" um ein übergeordnetes Prinzip handelt, welches bei verschiedensten Krebsarten eine entscheidende Rolle spielen könnte.
NO ist an zahlreichen physiologischen, aber auch krankhaften Prozessen beteiligt. So stellen die meisten Krebszellen z.B. vermehrt NO her und scheinen sich dadurch einen Überlebensvorteil zu sichern. Wie, war jedoch bislang unklar. Nun gelang es den Mainzer Forschern nachzuweisen, dass NO bzw. das NO-erzeugende Eiweiß - im Fachjargon iNOS genannt - die Bildung eines weiteren Eiweißes, des so genannten Survivins, veranlasst. Der Name Survivin ist von dem englischen Verb to survive - zu deutsch: überleben - abgeleitet, was zugleich einen Hinweis auf seine Funktion gibt, denn Survivin verhindert den programmierten Zelltod (Apoptose). Durch die vermehrte Bildung von iNOS - und damit des Botenstoffs NO – in den Krebszellen werden bestimmte Signalwege aktiviert, die letztendlich zu einer vermehrten Herstellung von Survivin führen. Indem die Krebszellen das Survivin anhäufen, können sie sich seine Eigenschaft als Hemmer (Inhibitor) des programmierten Zelltods zu Nutze machen und sich so gegen den Angriff von Chemotherapeutika oder Strahlentherapie schützen. Die Krebszellen aktivieren über die Achse "iNOS/Survivin" sozusagen ihr eigenes Überlebensprogramm.
„Dieses neuartige molekulare Verständnis der Abwehrstrategien von Krebszellen erlaubt es uns nun, die zugrunde liegenden Abwehrmechanismen gezielt anzugreifen“, berichtet Prof. Roland Stauber, Leiter der Abteilung Molekulare und Zelluläre Onkologie. Erste Erfolg versprechende Ergebnisse an Krebszellen in Kultur, die ebenfalls im Rahmen der aktuellen Studie durchgeführt wurden, zeigten bereits, dass durch den kombinierten Einsatz chemischer iNOS-Inhibitoren zusammen mit einer Blockade der Survivin-Bildung Tumorzellen effizient in den Zelltod getrieben werden können. Bis zur klinischen Anwendbarkeit dieser Erkenntnisse dürften allerdings noch viele, weitere Untersuchungen erforderlich sein.