Die Tuberkulose-Pandemie ist weiterhin nicht unter Kontrolle. Allein im Jahr 2013 verursachte das Tuberkulose-Bakterium Mycobacterium tuberculosis weltweit 1,5 Millionen Tote und fast neun Millionen Neuinfektionen. Resistenzen gegenüber TB-Medikamenten sind weit verbreitet. Für die Entwicklung neuer Medikamente gibt es also einen erheblichen Bedarf. Die Verwendung derzeit erhältlicher Antibiotika hat außerdem bei vielen Bakterien zur Entwicklung von Multiresistenzen geführt. Dies macht die Identifizierung und Entwicklung neuer Antibiotika dringend erforderlich.
Nun haben Wissenschaftler der Uniklinik Köln und der Schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) durch das Testen mehrerer hundert zugelassener Medikamente ein neues Antibiotikum gegen Tuberkulose entdeckt. Es ist ein nebenwirkungsarmes Medikament, das normalerweise gegen Magengeschwüre angewendet wird: der Säureblocker Lansoprazol. Er weist eine spezifische Aktivität gegen multiresistente Tuberkulose-Bakterien auf (siehe Nature Communications, Online-Veröffentlichung am 9.7.2015).
In der Vergangenheit wurden schon Millionen von chemischen Verbindungen auf ihre Fähigkeit untersucht, das Wachstum von M. tuberculosis im Reagenzglas zu hemmen. Jedoch nur wenige Wirkstoffkandidaten sind derzeit in klinischen Studien. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entwicklung neuer TB-Medikamente bis zur Anwendung beim Menschen mindestens zehn Jahre dauert.
Ein effizienterer Ansatz besteht darin, etablierte Medikamente, die bereits in der klinischen Anwendung sind, auf Ihre Wirkung als Antibiotikum hin zu untersuchen. Das ist auch die von Dr. Dr. Jan Rybniker, Wissenschaftler in der Infektiologie an der Uniklinik Köln, eingeschlagene Strategie. Das internationale Team hatte zuvor eine effiziente Hochdurchsatz-Screening-Methode entwickelt, die auf der Nutzung von Lungenzellen basiert. Diese werden mit M. tuberculosis infiziert und gleichzeitig mit dem zu testenden Wirkstoff versehen. Überleben die Lungenzellen drei Tage in der Kultur, ist der eingesetzte Stoff gegen M. tuberculosis wirksam.
Mit dieser maßgeschneiderten „intrazellulären“ Methode testeten die Wissenschaftler eine große Gruppe von zugelassenen Medikamenten und identifizierten das Medikament Lansoprazol als Substanz mit potentieller Wirksamkeit gegen Tuberkulose-Bakterien. Ähnliche robotisierte Hochdurchsatz-Screening-Verfahren werden immer häufiger in der Medikamentenentwicklung eingesetzt, da sie umfangreiche Substanz-Sammlungen mit potenziellen Medikamenten schnell und akkurat in kürzester Zeit testen können – manuelle Methoden benötigen hierfür mehrere Monate.
Der Wirkstoff funktioniert allerdings nur, wenn sich die Bakterien innerhalb von Lungenzellen oder menschlichen Abwehrzellen befinden. Die Forscher untersuchten den zugrunde liegenden Mechanismus der intrazellulären Anti-TB-Aktivität von Lansoprazol und konnten zeigen, dass das Medikament von den menschlichen Zellen zunächst in ein aktives Stoffwechselprodukt (Metabolit) umgewandelt werden muss, bevor es die Bakterien töten kann. Dieser Lansoprazol-Metabolit hemmt die Aktivität eines Enzyms, das von entscheidender Bedeutung für die Energiegewinnung des Bakteriums ist.
Lansoprazole gehört zu einer Klasse von Medikamenten, die als Protonen-Pumpen-Inhibitoren die Produktion von zu viel Säure im Magen verhindern und gegen Sodbrennen sowie Magen-Geschwüre angewendet werden. Die Medikamente haben ein günstiges Nebenwirkungsprofil und können auch in hohen Dosierungen angewendet werden. „Protonen-Pumpen-Inhibitoren sind sehr sichere Medikamente und werden auf der ganzen Welt verkauft“, erklärt Dr. Rybniker. Als wirksames Medikament gegen resistente Stämme von M. tuberculosis biete diese neue Klasse von Medikamenten seiner Meinung nach eine ausgezeichnete Grundlage, die Tuberkulose zu behandeln.
Quelle: Uniklinik Köln