Helicobacter pylori ist ein stäbchenförmiges Bakterium mit rotierenden Geißelschwänzen, das Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre beim Menschen verursachen und langfristig sogar Krebs auslösen kann. Für diese Entdeckung erhielten die Australier Barry Marshall und Robin Warren im Jahr 2005 den Nobelpreis. Jetzt haben US-Forscher um Martin Blaser und Yu Chen von der University of New York herausgefunden, dass eine Infektion mit dem Krankheitserreger auch ihr Gutes haben kann. Denn offenbar kann der Magenkeim das Risiko senken, während der Kindheit Allergien oder Asthma bronchiale zu entwickeln.
Blaser und seine Kollegen haben mehr als 7600 Freiwillige auf den Magenkeim hin untersucht. Außerdem befragten sie die Studienteilnehmer zu ihrer Krankengeschichte und ihrem allgemeinen Gesundheitszustand. Bei 2.385 der Probanden führten die Wissenschaftler zusätzlich noch einen Allergietest auf Pollen, Schimmelpilze und andere Allergene durch. Wie die Auswertung der Daten zeigt, traten bei denjenigen Studienteilnehmern, die einen besonders aggressiven Stamm des Bakteriums im Magen trugen, im Kindeshalter (unter 15 Jahren) nur etwa halb so häufig Asthmaerkrankungen beziehungsweise Pollen- oder Schimmelpilzallergien auf wie bei solchen, die nicht mit dem Magenkeim infiziert waren. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Archives of Internal Medicine veröffentlicht und sind nach Ansicht der Wissenschaftler ein weiterer Beleg für die so genannte Hygiene-Hypothese. Diese führt die zunehmende Verbreitung von Allergien und Asthma in den Industrieländern auf die verbesserten sanitären Verhältnisse und die teils übertrieben gründliche, möglichst porentief-keimfreie Hygiene zurück. Bei einer mangelnden Auseinanderersetzung mit Bakterien und Parasiten gehen Mediziner davon aus, dass das menschliche Immunsystem unausgelastet ist und deshalb auf Allergene überschießend reagiert.
Die Zahl der mit Helicobacter infizierten Menschen hat sich in den Industrieländern in den vergangenen Jahren immer weiter verringert, kommentiert Studienleiter Blaser. Im Gegensatz zu den Entwicklungsländern, wo sich etwa 90 Prozent der Kinder bei ihren Müttern oder Vätern anstecken, sind in den westlichen Ländern auf Grund der intensiveren Hygiene nur noch um die 10 Prozent mit dem Magenkeim infiziert. Da Helicobacter seit Zehntausenden von Jahren im menschlichen Magen lebe und das Immunsystem im Lauf der Zeit gelernt habe, das Bakterium zu tolerieren, sei es Blasers Ansicht nach nicht überraschend, wenn das plötzliche Fehlen des Erregers auch gesundheitliche Konsequenzen habe: Mit dem fehlenden Anstoß des Immunsystems durch den Erreger gerate das komplizierte Zusammenspiel der Körperabwehr aus dem Gleichgewicht, was Allergien und andere Autoimmunerkrankungen begünstige. Blaser will diesen Zusammenhang nun in weiteren Studien belegen. In einer früheren Studie hatte er mit seinen Kollegen bereits herausgefunden, dass Helicobacter das Risiko für Krebserkrankungen im unteren Magenbereich erhöht, während er dieses in der Speiseröhre und im oberen Bereich des Magens hingegen verringere. Insofern warnt Blaser, dass eine Entfernung des Keims im Kindesalter nicht nur positive Auswirkungen haben könne und daher auf jeden Fall intensiv überdacht werden sollte.
Quelle: Archives of Internal Medicine (2007), Band 167, Seite 821.
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