Ursache einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) ist nicht immer das Rauchen. Hinter einer COPD kann sich auch eine angeborene Erbkrankheit – der so genannte Alpha-1-Antitrypsin-Mangel - verstecken. Darauf weisen die Lungenärzte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Werne hin. „Bisherigen Schätzungen zufolge kommt diese Erbkrankheit in Deutschland recht selten bei einer von 8000 Personen vor“, erläutert Prof. Helmut Teschler, Präsident der DGP und Chefarzt an der Ruhrlandklinik Essen. „Wir haben jetzt aber Hinweise darauf, dass sie deutlich häufiger ist. Man muss allerdings davon ausgehen, dass etwa 10% der Fälle gar nicht erkannt werden. So haben die Betroffenen meistens eine regelrechte Odyssee hinter sich, bevor die richtige Diagnose ihrer Erkrankung gestellt wird. Im Schnitt vergehen 7 Jahre und es werden 5 verschiedene Ärzte aufgesucht, bis die Erkrankung diagnostiziert wird.“
Führt bereits in jungen Jahren zu schwerem Krankheitsbild
Ursache der Erbkrankheit (die auch Alpha-1-Proteinase-Inhibitor-Mangel genannt wird) ist ein angeborener Mangel an einem bestimmten Eiweißstoff im Blutserum (Alpha-1-Proteinase-Inhibitor bzw. Protease-Inhibitor 1-Antitrypsin genannt), der notwendig ist, um im Wechselspiel von auf- und abbauenden Enzymen ein Gleichgewicht im menschlichen Körper aufrecht zu erhalten. Normalerweise fungiert dieser Eiweißstoff als Hemmstoff für das Enzym Leukozytenelastase. Fehlt aber der Hemmstoff, kann dieses Enzym verstärkt elastisches Gewebe im Körper abbauen. Dadurch werden die Lungenbläschen angegriffen und zerstört, aber auch die kleinen Bronchialäste und die Lungengefäße nehmen Schaden. So entwickelt sich – selbst ohne Zigarettenrauchen - das Krankheitsbild einer COPD. „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel führt zu einem schweren und bereits in jungen Jahren auftretenden Lungenemphysem, wie der Lungenbläschenschwund medizinisch korrekt heißt“, erklärt Teschler. „Viele der Betroffenen entwickeln bereits zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr Symptome wie dauerhaften Husten und Atemnot bei körperlicher Belastung.“
Test deckt bisher unerkannte Erkrankungen auf
Ein kostenloser Test auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, der vor zwei Monaten auf dem auf dem Patientenkongress „Symposium Lunge 2007“ in Hattingen/Ruhr angeboten wurde, hat überraschend mehr Erkrankungen aufgedeckt als nach den bisherigen Schätzungen zu erwarten gewesen wären. Insgesamt 150 der 1300 Symposiumsbesucher hatten am Test teilgenommen und dazu je drei Tropfen Blut zur genetischen Untersuchung abgegeben. „Die Auswertung der Proben im Alpha-1-Zentrallabor der Universitätsklinik Marburg hat jetzt ein selbst für Experten überraschendes Ergebnis erbracht“, berichtet Teschler. „Zwei der 150 Untersuchten leiden an einer schweren Form des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels. Zudem wurde bei 14 der 150 Untersuchten eine leichte Form des Enzymmangels festgestellt. Wir konnten also mit diesem Test im Rahmen unseres kleinen Pilotprojektes die 10% der Fälle, die normalerweise nicht erkannt werden, aufdecken. Daher wollen wir auf der für den 13. September 2008 geplanten Nachfolgeveranstaltung „Symposium Lunge 2008“ auch wieder einen kostenlosen Test auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel anbieten. Die diesmal betroffenen Testteilnehmer wurden über das Test-Ergebnis benachrichtigt und aufgefordert, sich in lungenfachärztliche Behandlung zu begeben. Eine Patientin aus Niedersachsen mit schwerem Mangel ist inzwischen in der Ruhrlandklinik stationär behandelt worden. Über das Ergebnis, dass sie an einem angeborenen Alpha-1-Antitrypsinmangel leidet, war sie natürlich sehr überrascht. Andererseits hat sie nun nach 7 Jahren Krankheitsbeschwerden unbekannter Ursache endlich eine Erklärung dafür, warum sie trotz ihres jungen Alters von 42 Jahren unter einer starken Beeinträchtigung ihrer Lungenfunktion leidet.“
Lungenfachärztliche Untersuchung empfohlen
Wer ständig Husten hat und bereits nach der kleinsten Anstrengung unter Atemlosigkeit leidet oder aber eine chronische Lungenerkrankung hat, die trotz Behandlung nicht besser wird, sollte einen Lungenfacharzt aufsuchen. „Heute gibt es verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten, um herauszufinden, ob man die genetische Anlage für einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel in sich trägt“, erklärt Teschler. „Dabei ist wegen der Vererbbarkeit der Erkrankung eine frühzeitige Untersuchung besonders wichtig, wenn bereits ein anderes Familienmitglied an einem Lungenemphysem oder Alpha-1-Antitrypsin-Mangel erkrankt ist“, empfiehlt Teschler. Gezielte Hilfe und Unterstützung erhalten Patienten mit COPD bei der Selbsthilfegruppe Lungenemphysem-COPD Deutschland unter www.lungenemphysem-copd.de.