Direkt nach der Lungenoperation war Karlheinz Vetter (81) ansprechbar, konnte sich selbst auf den Rücken drehen und selbständig vom OP-Tisch wieder in sein Bett rutschen. Schmerzen hatte er keine. „Ich bin einfach wieder aufgewacht“, erzählt der erste Patient, der sich auf eine minimal-invasive Thoraxchirurgie mit einem neuen OP-Verfahren ohne Vollnarkose am Klinikum Darmstadt eingelassen hat. „Ich habe sofort Ja gesagt und war überzeugt, dass das eine gute Sache ist.“
Anfang Mai haben Dr. Alexander Grebe, seit gut einem Jahr am Klinikum Darmstadt und stellvertretender Sektionsleiter Thoraxchirurgie, und der Oberarzt der Anästhesie, Michael Hübscher, erstmals am Klinikum Darmstadt eine sogenannte „non-intubated, uniportal VATS-Resektion“ eines Tumors in der Lunge ohne Voll-Narkose vorgenommen - das heißt dessen chirurgische Entfernung erfolgte bei einem nicht beatmeten, also spontan atmenden Patienten, minimal-invasiv (über einen Schnitt von ca. 3 cm Länge) und videoassistiert (VATS ist die Abkürzung aus dem Englischen Video Assisted Thoracoskopic Surgery). Der Eingriff verlief problemlos und der Patient war mit der Operation und dem unkomplizierten dreitägigen stationären Aufenthalt sehr zufrieden.
Durch Verbesserung und Weiterentwicklung der Operationstechniken, der chirurgischen Instrumente und der Kameratechnik können bereits seit einiger Zeit Operationen im Brustkorb minimal-invasiv mit wenigen kleinen Schnitten durchgeführt werden. Durch das Gewebe schonende Vorgehen erholen sich die Patienten nach der Operation oft schneller, haben weniger Schmerzen und sind früher wieder mobil. Um eine Operation noch schonender zu gestalten, können in bestimmten Fällen auch vergleichsweise komplexe Operationen an der Lunge ohne eine tiefe Narkose in Spontanatmung, also ohne das Einführen eines Beatmungsschlauches in die Luftröhre, durchgeführt werden. Dadurch können die negativen Effekte und Risiken der Intubation und Beatmung auf die Atemwege und die Lunge ebenso wie die Auswirkungen einer tiefen Narkose auf Kreislauf, Atmung und das zentrale Nervensystem vermieden oder vermindert werden.
Dr. Grebe und Michael Hübscher haben dieses Verfahren vor kurzem in Hannover trainiert. Damit der Patient die Operation nicht bei Bewusstsein miterlebt und keine Schmerzen verspürt, kommen eine Kombination von regionalen Anästhesieverfahren mit der Verabreichung von das Bewusstsein dämpfenden Medikamenten zum Einsatz. Über einen thorakalen Periduralkatheter können Lokalanästhetika in die Nähe des Rückenmarkes und der Nervenwurzeln verabreicht werden und bewirken dann eine Schmerzausschaltung. Damit der Patient die Operation nicht als unangenehm wahrnimmt, können unter kontinuierlicher Kontrolle des Kreislaufes, der Herztätigkeit, der Atmung und der Gehirnfunktionen sedierende, d.h. dämpfende Medikamente verabreicht werden, die zu einem leichten Schlaf führen. Oberarzt Michael Hübscher hat den Patienten während der gesamten Operation betreut und die Vitalfunktionen überwacht, genauso wie bei einer Operation in Narkose. Bei Bedarf kann auch noch während solch einer Operation eine Narkose mit Intubation eingeleitet werden, wenn dies notwendig werden sollte.
Die sedierenden Medikamente versetzten den Patienten nur in einen leichten Schlaf. Operateur Dr. Alexander Grebe entfernte während des Eingriffs einen Lungentumor über einen drei Zentimeter großen Schnitt und hatte dabei die Bewegung der atmenden Lunge immer über die minimal-invasiv eingesetzte Kamera im Blick.
Minimal-invasive Operations-Verfahren sollten vor allem bei älteren und multimorbiden Patienten eingesetzt werden, denen Vollnarkosen stärker zusetzen würden, bzw. die für eine Vollnarkose überhaupt nicht in Frage kommen. Für den Anästhesisten und den Operateur sei die Arbeit aufwändiger und herausfordernder, gleichwohl kündigt die Sektionsleiterin Thoraxchirurgie, Dr. Jasmin Dei-Anang an, dieses schonende Verfahren grundsätzlich Patienten anzubieten, für die man sich Vorteile im Behandlungsverlauf verspreche. Es gebe aber auch Ausschlusskriterien, die in Vorgesprächen besprochen würden.
Quelle: Klinikum Darmstadt