Die Lungentransplantation ist eine zuletzt zu ergreifende, lebensrettende Maßnahme bei schwerem Lungenversagen. Eine gefürchtete und häufig vorkommende Komplikation nach einer Lungentransplantation ist die chronische Verschlechterung der Lungenfunktion (engl.: Chronic Lung Allograft Dysfunction = CLAD). Daher ist eine frühe Diagnose einer drohenden Verschlechterung der Lungenfunktion wichtig, um therapeutisch gegensteuern zu können. WissenschafterInnen der MedUni Wien von der Universitätsklinik für Innere Medizin I und von der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie haben nun herausgefunden, dass sich eine genaue Analyse des Lungenmikrobioms zur Vorhersage zukünftiger Veränderungen der Lungenfunktion eignet (siehe European Respiratory Journal, online seit 8.7.2021).
Mit Hilfe von Machine Learning gelang es den Arbeitsgruppen von Sylvia Knapp und Konrad Hötzenecker, zu zeigen, dass bestimmte Mikrobiom-Profile der Lunge nach einer Lungentransplantation prognostische Information geben können. „Das heißt, diese Methode erlaubt uns, Hinweise auf zukünftige Lungenfunktionsänderungen zu geben – und könnte somit zu einer früheren Erkennung von RisikopatientInnen beitragen“, betont Knapp. Von CLAD sind bis zu 50 Prozent der Lungentransplantierten innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Eingriff betroffen.
„Wir haben uns engmaschig angeschaut, wie sich das Milieu der unteren Luftwege in transplantierten Lungen von insgesamt 78 PatientInnen im Verlauf nach einer Operation verändert und an den neuen Wirt anpasst. So haben wir untersucht, welche Bakterien, welche Immunzellen und welche Metaboliten vorkommen, und wie sich diese in ihrem neuen Wirt verändern“, erklärt Knapp.
Dabei konnten die ForscherInnen zeigen, dass sich das Lungenmikrobiom kontinuierlich ändert, bis schließlich Empfänger-spezifische Faktoren – wie etwa Alter, Geschlecht, Grunderkrankung – langfristig das Mikrobiom definieren. Zudem entdeckten die WissenschafterInnen, dass bestimmte Keime, die bei manchen Lungenerkrankungen vor Transplantationen gehäuft vorkommen (z.B. bei zystischer Fibrose), auch nach der Transplantation wieder in die ansonsten gesunde Lunge einziehen und sich etablieren können. „Das heißt, auch Vorerkrankungen des transplantierten Patienten bzw. der Patientin bestimmen das Lungenmikrobiom nach Transplantation“, schlussfolgert Knapp.
Die Veränderungen der Lungenfunktion konnten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in Form von Machine Learning und einer Analyse der Multiomics-Daten – neben dem Mikrobiom wurden auch das Lipidom (Fettmuster), das Metabolom (Stoffwechsel-Bausteine der Zellen) und klinische Parameter herangezogen – prognostiziert werden. „Unsere Berechnungen zeigen daher tatsächlich, dass bestimmte Mikrobiom-Profile eine prognostische Information geben“, fassen Knapp und Hötzenecker zusammen.
Quelle: Medizinische Universität Wien