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Lungenkrebstherapie künftig auch mit Schwerionen möglich?

Eine Voraussetzung für die Krebstherapie mit Schwerionen ist, dass das zu bestrahlende Körperteil völlig ruhig gestellt werden kann, damit das umliegende Gewebe keinen Schaden nimmt. Um künftig auch Lungentumoren auf diese Weise behandeln zu können, haben Forscher am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung einen künstlichen Tumor entwickelt, der die natürlichen Atem- und andere Bewegungen imitiert. Mithilfe einer speziellen Software, die imstande ist, zu lernen, wie ein Mensch atmet, lässt sich dann auf die zu erwartenden Bewegungen des Tumors in der Lunge schließen und den punktgenauen Schwerionenstrahl entsprechend anpassen.

Eine Krebstherapie mit Schwerionen, die am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH in Darmstadt entwickelt wurde, ist bisher hauptsächlich bei Gehirntumoren möglich – denn der Kopf kann im Gegensatz zu anderen Körperteilen völlig ruhig gestellt werden. Nur dann wird der millimetergenaue Ionenstrahl die Krebszellen auch sicher treffen. Demgegenüber bewegen sich Tumore im Brust- und Bauchbereich durch Atmung oder Verdauung, was die Behandlung schwierig macht. Forschern am GSI ist es nun erstmals gelungen einen nachgebauten Tumor in einem atmenden Brustkorbmodell so zu bestrahlen, wie es auch am echten Patienten möglich wäre (siehe Physics in Medicine and Biology 2012, Band 57(8), Seite 2235-2250).

Die Atmung wird durch viele Faktoren beeinflusst: Ist ein Mensch aufgeregt oder entspannt, hustet oder räuspert er sich – stets wirkt sich das auf Atemrhythmus und -Tiefe aus. Bei jeder Atembewegung des Zwerchfells verändern auch die Lunge und andere innere Organe ein wenig ihre Lage. Insofern ist auch ein Tumor in der Lunge oft in Bewegung.

Um eine Schwerionenbehandlung bei Lungentumoren zu ermöglichen, haben die Darmstädter Wissenschaftler zunächst einen Brustkorb auf Basis eines Lehrskeletts nachgebaut. „Wir nennen das Thorax-Modell Bruce Lee“, erzählt Dr. Robert Kaderka, Biophysiker bei GSI. Inspiriert habe sie der Handelsname (Skelett Bruce). Das Modell besteht aus Haut, Rippen, einer Wirbelsäule und dem zu bestrahlenden Tumor. Ein Elektromotor hebt und senkt den Brustkorb wie bei der Atmung. „Gleichzeitig bewegt ein Roboterarm den Tumor auf realistische Weise in der Lunge mit“, so Kaderka weiter.

Um den Tumor zu bestrahlen, haben die Helmholtz-Forscher um Dr. Christoph Bert zunächst eine zeitaufgelöste CT-Aufnahme des Brustkorbs gemacht. Aufgrund dessen wissen sie genau, wie sich der Tumor während eines Atemzugs bewegt, und können die Bestrahlung planen. Während das Modell bestrahlt wird, nehmen Kameras die Bewegung des Brustkorbs von außen in Echtzeit auf. Diese Information speisen sie in eine Software ein. „Die Software simuliert ein neuronales Netzwerk, also ein Gehirn“, erklärt Privatdozent Dr. Christoph Bert, Leiter der Gruppe Medizinische Physik bei GSI. „Diese Software lernt, wie ein bestimmter Mensch atmet.“ Aus diesen Daten kann die Software auf die individuelle Bewegung des Tumors in der Lunge schließen und innerhalb von Millisekunden den Schwerionenstrahl anpassen.

In dem künstlichen Tumor befinden sich 20 Ionisationskammern und fünf radiografische Filme, die aufzeichnen, ob der Strahl tatsächlich dort ankommt, wo er schädliche Tumorzellen zerstören soll. Das ist entscheidend, denn wenn der Schwerionenstrahl den Tumor nicht genau trifft, kann das umliegende Gewebe geschädigt werden. Außerdem wäre dann die in den Tumor gelangende Dosis zu gering, um alle Krebszellen abzutöten. Noch werden die Ergebnisse ausgewertet, aber die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass die Bestrahlung erfolgreich war und künftig einsetzbar wird.

Quelle: GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH