Jeder Raucher sollte eine Messung der Lungenfunktion erhalten, um frühe Anzeichen von chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Lungenkrebs zu erkennen. Darüber hinaus sollte Rauchern mit einer chronischen Lungenerkrankung eine professionelle Tabakentwöhnung angeboten werden. Diese und weitere Empfehlungen veröffentlicht die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) im Rahmen der Mediziner-Initiative „Klug entscheiden“. Wie Ärzte dazu beitragen können, Über- oder Unterversorgung von Lungenpatienten zu vermeiden, werden Experten auch im Rahmen des DGP-Jahreskongresses diskutieren, der vom 22. bis 25. März 2017 in Stuttgart stattfindet.
Rauchen verursacht 85 Prozent aller Fälle der sehr häufigen Lungenerkrankung COPD. Eine ähnliche Quote gilt für den Lungenkrebs – die dritthäufigste und gleichzeitig tödlichste Krebserkrankung in Deutschland. Trotzdem ordnen die wenigsten Ärzte einen Lungenfunktionstest an, solange ihre Patienten keine Beschwerden haben, erklärt DGP-Präsident Prof. Dr. med. Berthold Jany. „Dabei nehmen die meisten Raucher die frühen Symptome einer Lungenerkrankung – wie etwa Raucherhusten – kaum wahr, weil sie sich schon daran gewöhnt haben.“ Sobald Betroffene erste Beschwerden wahrnehmen, seien viele Lungenerkrankungen schon weit fortgeschritten. Eine frühe Diagnose dagegen erhöhe die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.
Jeder Patient, der an COPD, Asthma, Lungenkrebs oder Lungenfibrose leidet, sollte außerdem die Möglichkeit haben, an einem strukturierten Tabakentwöhnungsprogramm teilzunehmen, so die weitere Empfehlung der Lungenärzte. „Je schneller Betroffene das Rauchen aufgeben können, desto mehr verbessern sich Symptome wie Atemnot, Husten und Atemwegsentzündungen“, betont Prof. Jany, der die Abteilung Innere Medizin des Klinikums Würzburg-Mitte am Standort Missioklinik leitet. Langzeitstudien zeigen außerdem, dass die Sterblichkeit unter Patienten, die das Rauchen aufgeben, deutlich sinkt.
„Klug entscheiden“ ist eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die zum Ziel hat, Über- und Unterversorgung in der Medizin zu vermeiden. Die DGP hat als eine von zwölf Fachgesellschaften konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen, welche medizinischen Therapien und Behandlungen sinnvoll sind und welche in vielen Fällen unnötig. Eine Überversorgung sieht die DGP z.B. bei der Anwendung der Computertomografie (CT). Diese sei zur Diagnostik von Lungenembolien und bei der Suche nach Lungenkrebs nur hilfreich, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. „Manchmal neigen Ärzte dazu, ‚sicherheitshalber‘ eine Untersuchung anzuordnen, die dem Patienten gar nicht nützt“, erläutert Jany. Weitere Kritikpunkte einer Überversorgung sind die zu häufige Verschreibung von Antibiotika bei akuter Bronchitis, die mangelnde Schulung von Asthma- und COPD-Patienten zur richtigen Anwendung von Inhalationsgeräten, und die unkritische Weiterverordnung von Sauerstofftherapien nach der Entlassung aus der Klinik.
Andersherum gäbe es Maßnahmen wie die Tabakentwöhnung oder die pneumologische Rehabilitation, die trotz erwiesenem Nutzen zu selten zum Einsatz kämen. „Mit ihren Empfehlungen möchte die DGP auf solche Über- und Unterversorgungen hinweisen und Ärzte ermutigen, Entscheidungen zu treffen, die dem aktuellen Stand der medizinischen Forschung entsprechen“, so Prof. Jany. Diese und weitere Empfehlungen der DGP wurden auch auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des DGP-Kongresses am 15. März 2017 in Berlin vorgestellt.
Quelle: „Klug entscheiden in der Pneumologie“, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 113, Heft 19, 13. Mai 2016