Voraussetzung für eine gute Versorgung mit Sauerstoff ist einerseits eine ausreichende Belüftung der Lunge (Ventilation) und andererseits einen gute Durchblutung der Oberfläche (Perfusion), an der der Gasaustausch stattfinden soll – also der Lungenbläschen. Wenn allerdings krankheitsbedingt Teile der Lunge nicht gut belüftet sind, so dass dort eine so genannte alveoläre Hypoxie vorliegt, macht der menschliche Körper etwas ganz Schlaues: In den schlecht belüfteten Arealen wird der Blutfluss gedrosselt, zumal hier sowieso kaum Sauerstoff ins Blut gelangen könnte. Dafür wird das Blut in die besser belüfteten Areale umgeleitet. Dieser Mechanismus der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion (HPV) - auch bekannt als Euler-Liljestrand-Mechanismus – sorgt dafür, dass die Ventilation immer optimal an die Perfusion angepasst werden kann. Seine molekularen Regulationsmechanismen wurden jetzt von zwei Arbeitsgruppen um Privatdozent Alexander Dietrich aus Marburg und Professor Norbert Weißmann aus Gießen entschlüsselt, wofür die Forscher mit dem Galenus-von-Pergamon-Preis 2007 ausgezeichnet wurden, der im Oktober auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Köln verliehen wird. „Wir haben herausgefunden, dass für die Steuerung der akuten HPV ein bestimmter, nicht-selektiver Kationenkanal von Bedeutung ist, den wir TRPC6 (aus dem Englischen: classical transient receptor potential channel 6) genannt haben“, erklärt Dietrich. „Ist TRPC6 aktiviert, kommt es über spannungsabhängige Kalziumkanäle zu einem Einstrom von Kalzium-Ionen in die glatte Gefäßmuskel-Zelle. Das führt dann zu einer Verengung der Gefäße (Vasokonstriktion).“
Eine Verringerung oder ein Ausfall der HPV kann zum Beispiel bei Patienten mit Lungenentzündung, Blutvergiftung oder akutem Atemnotsyndrom (ARDS) auftreten, was eine lebensbedrohliche Sauerstoffunterversorgung (arterielle Hypoxämie auf Grund einer Verminderung des Sauerstoffpartialdruckes) zur Folge hat. Falls die gesamte Lunge von einer solchen Unterversorgung betroffen ist, verengen sich überall in der Lunge die Gefäße und dann kommt es über die Verringerung des Gesamtgefäßquerschnitts der Lunge zu einem akuten Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie). Dauert eine solche Sauerstoffunterversorgung über Wochen und Monate an – wie zum Beispiel beim Aufenthalt in großen Höhen oder als Begleiterscheinung bei COPD, Lungenfibrose oder dem Schlaf-Apnoe-Syndrom – dann kommt es zu einem zusätzlichen Umbau der Lungengefäße: Als ob sich die Gefäßmuskulatur einem Bodybuildingtraining unterziehen würde, führt das zu einer Verdickung der Gefäßwände (Tunica media), während das Innere der Gefäße (Lumen) eingeengt wird. Auf diese Weise wird das Krankheitsbild des Lungenhochdrucks (pulmonale Hypertonie) strukturell fixiert. „Dabei haben wir festgestellt, dass TRPC6 nur bei einer akuten HPV aktiv ist – nicht hingegen bei der chronischen“, betont Dietrich. „Dort könnten aber andere Kanäle der TRPC-Familie aktiv sein.“
Nach Ansicht der Forscher eröffnet diese Erkenntnis neue Möglichkeiten, um gezielte Therapien zu entwickeln. „Zum einen könnte man versuchen, TRPC6 zu aktivieren - zum Beispiel, wenn bei einer Lungenentzündung die HPV ausgefallen ist und ein Lungenlappen durch Infiltrate schlecht belüftet wird“, berichtet Dietrich. „Dann könnte mit einer Aktivierung des Kanals eine Gefäßverengung ausgelöst werden und so das Blut in die besser belüfteten Areale umgeleitet werden. Zum anderen könnte versucht werden, andere TRPC-Kanäle zu blockieren, die zum Beispiel im Falle der chronischen generalisierten Hypoxie daueraktiviert sind. Die Gefäße würden sich entspannen, und eventuell könnte dadurch ein Gefäßumbau und eine pulmonale Hypertonie verhindert oder rückgängig gemacht werden. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, in den Signaltransduktionsweg, an dessen Ende TRPC6 steht, einzugreifen, und den Kanal dadurch zu aktivieren oder zu hemmen. Allerdings haben wir zur Zeit leider noch keine spezifischen Möglichkeiten, TRPC6 direkt zu aktivieren oder zu hemmen. Aber dadurch, dass wir den Signaltransduktionsweg entschlüsselt haben, werden wir vorerst versuchen, in die Kaskade einzugreifen, die den Kanal aktiviert.“
Quelle: Ärztezeitung
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