Resultate zur KI-getriebenen Bildanalyse von Lungenfibrose, die bei der seltenen Systemischen Sklerose auftritt, haben Forschende der Universitäten bzw. Universitätsspitäler von Zürich, Oslo und Bern veröffentlicht. Die systemische Sklerose ist eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der mehrere Organe betroffen sind. Eine Lungenbeteiligung ist die Haupttodesursache von Patienten mit systemischer Sklerose. Unbehandelt ist die Mortalität vergleichbar mit derjenigen einer Krebserkrankung.
Radiomics ist die Bezeichnung für eine spezielle Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Interpretation von Bildmaterial, zum Beispiel Computertomografien (CT). Ihr Einsatz war bislang auf die Onkologie beschränkt. Forschende um die Studienleiterin Prof. Britta Maurer haben nun die Methoden der Radiomics-Analyse auf das bisher unbearbeitete Feld der Interstitiellen Lungenkrankheiten (ILD) angewendet und daraus überraschend klare Risikoprofile erstellt, die eine vielversprechende Grundlage für ein zukünftiges individualisiertes Patientenmanagement bieten (siehe European Respiratory Journal, online am 14.10.2021).
Die Analyse der jährlichen Routine-Verlaufs-CTs mittels Radiomics konnte zwei klar abgrenzbare Gruppen von Patientinnen und Patienten ermitteln. Die Gruppen wiesen unterschiedliche klinische Merkmale und verschiedene, gut definierte Risikoprofile für die Überlebenswahrscheinlichkeit mit und ohne Fortschreiten der ILD aus. Für die klinische Anwendung wurde in einem nächsten Schritt ein Risikoscore (Risikobeurteilung) entwickelt, der Patienten nach dem Risiko eines Fortschreitens der Lungenerkrankung unterteilen konnte (hohes vs. tiefes Risiko). Dieser Score, der in einer unabhängigen zweiten Patientengruppe bestätigt wurde, ermöglichte im Vergleich zu bisher angewendeten klinischen oder funktionellen Parametern eine wesentlich zuverlässigere Erkennung von Risikopatienten. „Wenn sich diese Daten in einer prospektiven Studie bestätigen lassen, bietet dieser KI-Ansatz der Klinikerin und dem Kliniker künftig ein wissenschaftlich basiertes, funktionierendes Instrument zur Risikobeurteilung und damit zur individuellen Beratung und Behandlungsplanung“, erklärt die Erstautorin der Studie, Dr. sc. ETH Janine Schniering.
Das Projekt ging in einem zweiten Teil noch einen bedeutenden Schritt weiter: Die Forschenden unternahmen den Versuch, im Tiermodell molekularbiologische Entsprechungen für die radiomisch ermittelten Risikogruppen zu finden. Dazu wurden Mäuse nach einer chemisch ausgelösten Lungenfibrose untersucht. Es zeigten sich vielversprechende Korrelationen zwischen den aus CT-Bildern gewonnenen Risikoprofilen und den Prozessen der Entstehung von Bindegewebsvermehrung (Fibrosierung) des Lungengewebes im Tiermodell. Ein aus der KI-Bildanalyse errechnetes, hohes Risiko für eine fortschreitende Lungenerkrankung stimmte mit der Aktivierung von Vorgängen überein, die zu einem Fortschreiten einer Fibrose im Gewebe führten.
„Dass mit CT-Bildanalysen spezifisch Vorgänge der Fibrosierung auf Gewebsebene korreliert werden können, stellt einen Durchbruch dar“, bekräftigt die Studienleiterin, Prof. Dr. med. Britta Maurer. „Dieser gibt Anlass zur Hoffnung, eines Tages ganz auf der Basis nicht invasiver Bilder auf konkrete physiologische und pathophysiologische Prozesse schließen zu können. Damit würden Gewebsentnahmen mit invasiven Eingriffen wegfallen.“
Quelle: Universitätsspital Bern