Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Lungenentwicklung bei Kindern erstmals kartiert

Eine Karte menschlicher Lungenzelltypen könnte womöglich dabei helfen, besser zu verstehen, welche Faktoren die Lungengesundheit ab der Geburt über die gesamte Lebensspanne hinweg beeinflussen.

Wie entwickelt sich die Lunge nach den ersten Atemzügen des Kindes außerhalb der Gebärmutter? Welche zellulären Ereignisse und Veränderungen im frühen Leben führen zu Lungenfunktionsstörungen und -erkrankungen? Um diese Fragen zu beantworten, haben Wissenschaftler in den USA den ersten Einzelzellatlas der postnatalen Lungenentwicklung bei Menschen und Mäusen erstellt (siehe Cell, online seit 9.3.2022).

Die kürzlich veröffentlichte Arbeit könnte zu einem genaueren Verständnis – auf der Ebene einzelner Zellen – im Hinblick darauf beitragen, welche genetischen und epigenetischen Faktoren die Lungengesundheit über die gesamte menschliche Lebensspanne hinweg beeinflussen, beginnend mit der Geburt. Die Wissenschaftler unter der Leitung eines Forscherteams der University of California San Diego und der University of North Carolina at Chapel Hill konnte durch die Analyse von Lungengewebeproben Neugeborener und junger Menschen sowie von Mäusen Erkenntnisse darüber gewinnen, wie bestimmte Zelltypen in der Lunge im Kindesalter entstehen und sich verändern.

„Dies sind einzigartige Proben, über die wir Informationen während eines Zeitraumes in der Lungenentwicklung gesammelt haben, der bislang nicht gut untersucht war“, erklärt Erstautorin Thu Elizabeth Duong von der UC San Diego School of Medicine und dem Rady Children’s Hospital in San Diego. „Es ist spannend, in Einzelzellauflösung sehen zu können, was mit den Lungenzellen in diesem Entwicklungsstadium geschieht.“ Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse auch die Grundlage für tiefer gehende Studien darüber legen, wie Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung und Passivrauchen Gesundheit und Krankheit der Lunge in verschiedenen Lebensphasen beeinflussen.

Ziel der Forschenden ist es, eine „Referenzkarte“ der menschlichen Lunge zu erstellen. Eine solche Karte könnte als Grundlage dienen, um die zellulären Unterschiede zwischen gesunden und erkrankten Lungen zu verstehen. Die nun veröffentlichte Arbeit stellt einen kleinen Schritt zum Aufbau einer solchen Referenz für die pädiatrische Population dar.

„Die Gesundheit der Atemwege wird durch das geprägt, was in den frühen Lebensjahren passiert. Wenn also etwas schief geht, können wir auf zu diesen frühen Jahren zurückgehen, um mögliche Krankheitsursachen zu identifizieren“, erklärt Duong.
„In Fällen von Lungenanomalien oder -erkrankungen können wir hineinzoomen und untersuchen, welche spezifischen Zelltypen sich von ihren Gegenstücken in den gesunden Referenzen unterscheiden und welche molekularen Wege diesen Veränderungen zugrunde liegen“, erklärt Prof. Kun Zhang, einer der Seniorautoren der Studie. „Diagnose und Therapie könnten dann anhand der Unterschiede zur Referenzkarte entwickelt werden.“

Um ihre Karte zu erstellen, analysierten die Wissenschaftler postmortales menschliches Lungengewebe, das zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt wurde – beginnend am ersten Tag des Lebens und bis zu neun Jahre nach der Geburt. Die Forschenden sammelten auch Lungengewebeproben von Mäusen an entsprechenden Zeitpunkten, also zwischen einem Tag und fast einem Monat nach deren Geburt.

Die Arbeitsgruppe verwendete Einzelzellsequenzierungstechnologien der nächsten Generation, die in Zhangs Labor entwickelt wurden, um einzelne Nuklei von mehr als 80.000 menschlichen und Maus-Lungenzellen zu analysieren.

Ausgehend von dieser Analyse begann die Wissenschaftler, Entwicklungswege für verschiedene Lungenzelltypen, einschließlich alveoläre Typ-1-Zellen, zu kartieren. Diese Zellen sind lebenswichtig für den Austausch von Sauerstoff- und Kohlendioxidgasen. Die Studienautoren erhielten Hinweise darauf, wie alveoläre Typ-1-Zellen mit anderen Zellen wie Myofibroblasten kommunizieren und wie diese Kommunikation bei der Entwicklung von Lungenbläschen (Alveolarzellen) eine Rolle spielen könnte.

Die Studie ergab auch eine spezifische Population von Fibroblastenzellen in der menschlichen Lunge, die bei Mäusen nicht beobachtet wurde. Diese Fibroblasten sind Zellen im Bindegewebe, die eine Rolle bei der atmungsbedingten Dehnung der Lunge spielen. Die Forscher fanden auch Zellzustände in der menschlichen Lunge, die zwar bei der Geburt zu beobachten sind, im Alter von neun Jahren aber nicht mehr. „Diese Daten helfen uns herauszufinden, wie wichtige Zelltypen in der Lunge entstehen“, fasst Duong zusammen. „Wir hoffen, dass dies in Zukunft eine wertvolle Ressource für Lungenforscher sein wird.“

Quelle: Biermann Verlag am 13.4.22 & University of California San Diego, 11.04.2022