Mukoviszidose, eine unheilbare Stoffwechselkrankheit, führt zu einem geringen Wassergehalt im Bronchialsekret und damit zu einem zähen Schleim in den Atemwegen:. Eines von 2000 Neugeborenen in Deutschland erbt die Krankheit, insgesamt sind hierzulande rund 8000 Menschen betroffen. Damit gehört Mukoviszidose zu den häufigen Erbkrankheiten. Nun hat sich herausgestellt, dass die bisherige Lehrbucherklärung für die Symptome falsch ist. Das zeigen neue Forschungen von Wissenschaftlern der Universität Münster (WWU).
Chronisches Husten, häufige Lungenentzündung, Sauerstoffmangel, Atemnot – die Liste an möglichen Problemen in den Atemwegen der Patienten ist lang. Von Wassermangel betroffenen können allerdings auch die Sekrete der Bauchspeicheldrüse, der Schweißdrüsen, des Dünndarms und der Leber sein. Dies kann unter anderem zu Diabetes mellitus, chronischem Durchfall, Verdauungsstörungen, Leberzirrhosen und Gallensteinen führen. Früher erreichten die Betroffenen selten das Erwachsenenalter, inzwischen sieht es besser aus: Wer heute mit der Krankheit auf die Welt kommt, wird nach aktuellen Schätzungen durchschnittlich fast 50 Jahre alt werden. Bei schwerem Krankheitsverlauf brauchen viele Patienten dennoch schon mit 20 oder 25 Jahren eine Herz-Lungen-Transplantation.
„Es ist klar, wo die Ursachen der Krankheit liegen“, erläutert Dr. Tobias Schulz vom Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie an der Medizinischen Fakultät der WWU. „Mutationen auf dem langen Arm des Chromosoms 7 verhindern, dass ein bestimmtes Protein richtig gebildet wird. Betroffen ist ein Chlorid-Kanal (CFTR), ein Protein in der Zellmembran, das für Chlorid-Ionen durchlässig ist. Falsch sind demgegenüber laut unserer Studie die Schlussfolgerungen, die bisher gezogen worden sind. Chlorid-Ionen binden Wasser. Bisher wurde angenommen, dass dieses Wasser für die Sekret-Bildung fehlt, weil es die Zelle nicht durch Kanal-Proteine verlassen kann. Die Folge: zäher Schleim, in dem Bakterien siedeln, die dann chronische Infektionen verursachen.“
Tatsächlich haben die Chlorid-Kanäle aber eine Doppelfunktion. „Wir konnten herausfinden, dass die Chlorid-Kanäle auch von der so genannten Hyaluronsäure passiert werden können“, berichtet Schulz. „Das ist überraschend. Tatsächlich gehören diese Moleküle zu den größten im menschlichen Körper – und binden sehr viel mehr Wasser als Chlorid-Ionen.“ Das Fehlen des Hyaluronsäure-Exports erklärt so das Entstehen des zähen Schleims. Die unerwarteten Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift Pathobiology (2010, Band 77, Seite 200-209) publiziert worden. Der Weg bis dahin war steinig, so Schulz: „Weil unsere Ergebnisse die Lehrmeinung über den Haufen werfen, hatten wir lange Probleme mit der Annahme des Artikels.“ Vier Jahre Wartezeit und 21 Absagen anderer Fachmedien gingen der Veröffentlichung voraus.
Auf Grundlage der Ergebnisse haben die Forscher nun einen viel versprechenden Stoff entwickelt, der den Abbau der Chlorid-Kanal-Proteine verhindert. Diese werden zwar trotz des mutierten Gens gebildet und sind grundsätzlich auch funktionsfähig. Das Problem ist aber, dass sie in der Zelle abgebaut werden, bevor sie in der Zellmembran ihre Arbeit aufnehmen können, weil sich die Proteine in ihrer Struktur leicht vom Original unterscheiden. Mit dem Stoff, der bereits zum Patent angemeldet ist, könnte die Behandlung deutlich verbessert werden, da er den Abbau der Proteine verhindert.