Trifft das Immunsystem eines Menschen erstmals auf ein Grippevirus, werden Antikörper gebildet, die auf ein Protein an der Virenoberfläche (Hämagglutinin) abzielen. Dabei handelt es sich um ein Rezeptorprotein, das wie ein Lutscher aus der Oberfläche herausragt. Zu den Grippeviren vom Typ Influenza A gehört eine Vielzahl von Subtypen (insgesamt 18), die Menschen mit Influenza infizieren können. Die Subtypen H1, H2 und H5 gehören z.B. zur Hämagglutinin-Gruppe 1, während die Subtypen H3 und H7 zur Hämagglutinin-Gruppe 2 gehören. Menschen sind offenbar nur vor demjenigen Typ geschützt, mit dem sie als allererstes in Kontakt gekommen sind. Das haben Forscher um Michael Worobey von der University of Arizona festgestellt, die sich auf die 18 Stämme der Influenza A und das Protein Hämagglutinin auf der Oberfläche konzentrierten (siehe Science 2016, Band 354/6313, Seite: 722-726). Das lebenslange Erkrankungsrisiko wird demnach von anderen, neuen Hämagglutinin-Typen bestimmt, mit denen sich ein Mensch im Lauf seines Lebens ansteckt. Dies könnte erklären, warum manche Grippeausbrüche mehr Todesopfer und schwere Erkrankungen bei jüngeren Menschen zur Folge haben als andere.
Obwohl es 18 Arten von Influenza A gibt, existieren nur zwei Versionen des Hämagglutinins. Die Forscher haben diese als „Geschmacksrichtungen" - und zwar „blau" und "orange" – klassifiziert. Menschen, die vor den späten 1960er-Jahren geboren wurden, kamen als Kinder mit einem "blauen Lutscher" in Kontakt, also den Grippeviren H1 oder H2. Sie erkrankten nur sehr selten an einer anderen Grippeform, wie zum Beispiel der Vogelgrippe H5N1, starben allerdings an den Folgen einer Erkrankung mit den "orangen" H7N9-Viren. Personen, die in den späten 1960er-Jahren auf die Welt und damit in Kontakt mit dem "orangen Lutscher" H3 kamen, verfügen über das genau gegenteilige Muster.
Die Forscher sprechen von einer Schutzprägung durch Hämagglutinin. Mit H5N1 und H7N1 haben sie zwei Formen von Vogelgrippe untersucht, an denen schon hunderte Menschen erkrankt sind, wobei es jedoch zu keiner Pandemie kam. Eine Schutzprägung durch Hämagglutinin führt zu einem Schutz von 75 Prozent gegen eine schwere Erkrankung und von 80 Prozent gegen eine tödliche, wenn Patienten mit einem Virus des gleichen Hämagglutinin-Typs infiziert worden waren.
Worobey zufolge könnten jetzt auch die extremen Folgen der Grippepandemie von 1918, der Spanischen Grippe, erklärt werden, die bei jungen Erwachsene besonders häufig zum Tod geführte. „Diese jungen Menschen wurden von einem H1-Virus getötet. Blut, das viele Jahrzehnte später analysiert wurde, weist sehr stark darauf hin, dass diese Personen als Kinder mit einem nicht passenden H3-Virus infiziert wurden und daher über keinen Schutz gegen H1 verfügten.“ Der gleiche Mechanismus sei derzeit bei H5N1 und H7N9 zu beobachten - Viren, die heute als mögliche Auslöser für die nächsten großen Grippepandemien gelten.
Quelle: Pressetext