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Langanhaltende Folgen von Zigarettenrauchen im Gehirn festgestellt

Eine Gruppe von Berner und Zürcher Forschenden hat die Auswirkungen von Tabakkonsum auf das menschliche Gehirn untersucht und konnte aufzeigen, dass die Auswirkungen von Nikotin stärker als bisher angenommen sind und länger anhalten. Die Erkenntnisse können möglicherweise bei der Entwicklung von neuen Medikamenten helfen.

Rauchen ist eine Volkskrankheit mit zunehmender Bedeutung weltweit. Jedes Jahr sterben fünf Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, und man geht davon aus, dass es im Jahr 2030 bis zu zehn Millionen sein werden. Die Abhängigkeit von Nikotin ist oft schwerwiegend: Bis zu 90 Prozent der Raucherinnen und Raucher finden es sehr schwierig oder schwierig, auf Nikotin zu verzichten. Nikotin verursacht im Gehirn eine sowohl stimulierende wie auch beruhigende Wirkung und kann kurzfristig die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Bei wiederholtem Nikotinkonsum kommt es zur Toleranzbildung. Das heißt, die positiven Wirkungen werden schwächer und der Verzicht auf Nikotin führt oft zu Entzugssymptomen wie Unruhe, Gereiztheit, Angst, Lustlosigkeit, Kopfschmerzen, Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen, Hungergefühl und Gewichtszunahme.

Drei Viertel der Raucher versuchen mit dem Rauchen aufzuhören, aber nur wenigen gelingt es. Trotz der enormen Bedeutung des Rauchens für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft ist es bis jetzt nicht gelungen, die Langzeitfolgen des Nikotinkonsums auf das Gehirn zu verstehen. Forschende der Universität Bern, der ETH Zürich und der Universität Zürich konnten nun in einer Studie nachweisen, dass diese Folgen dramatisch und langanhaltend sind (siehe PNAS Online-Vorabveröffentlichung am 17. Dezember 2012).

Die Entwicklung der Nikotin-Sucht ist eine Art Lernprozess. Der Hirnbotenstoff Glutamat spielt dabei eine zentrale Rolle. „Von Tierstudien ist bekannt, dass Glutamat auch bei der Entwicklung von Abhängigkeit, die ebenfalls eine Art Lernprozess darstellt, wichtig ist – vor allem bei der Nikotin- und Kokain-Abhängigkeit“, erklärt Gregor Hasler, Professor und Chefarzt an den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) Bern.

Deshalb haben die Forschenden das Glutamat-System bei Rauchern, Ex-Rauchern und Nicht-Rauchern untersucht. Mittels der neu entwickelten Methode der Positron-Emissionstomographie wurde ein wichtiges Protein des Glutamat-Systems gemessen: der stoffwechselaktive (metabotrope) Glutamat-Rezeptor 5 (mGluR5).

Die Studie ergab, dass die Menge dieses Proteins im Gehirn von Rauchern im Durchschnitt um 20 Prozent verringert war, in einzelnen Hirnregionen wie dem unteren Frontallappen und den Basal-ganglien um bis zu 30 Prozent. Auch die Ex-Raucher, die im Durchschnitt 25 Wochen abstinent waren, zeigten eine Reduktion dieses Proteins um 10 bis 20 Prozent.

„Diese Veränderung des Glutamat-Systems bei Rauchern ist im Ausmaß und in der Verteilung weit größer, als man bisher angenommen hat“, erläutert Gregor Hasler. Besonders unerwartet sei, dass die Erholung des Glutamat-Systems offenbar sehr lange dauere. „Es ist wahrscheinlich, dass diese sehr langsame Normalisierung zu der sehr hohen Rückfallrate bei Ex-Rauchern beiträgt.“

Bisher ungeklärt ist Gregor Hasler zufolge, inwieweit die anhaltenden Veränderungen des Glutamat-Systems Lernprozesse im Allgemeinen beeinflussen – und ob die Reduktion des mGluR5-Proteins zum erhöhten Risiko für Angststörungen bei Rauchern und für Übergewicht bei Ex-Rauchern verantwortlich ist. „Hinsichtlich der Entwicklung von Medikamenten, die auf das mGluR5-Protein einwirken, ist zu berücksichtigen, dass sich die Wirkung bei Rauchern und Ex-Rauchern deutlich von der Wirkung bei Nicht-Rauchern unterscheiden könnte“, so Hasler. „Diese Medikamente könnten außerdem das Potenzial haben, das Rückfallrisiko, die Entzugssymptome und andere psychische Folgen des Nikotinkonsums zu reduzieren.“

Quelle: Universität Bern