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Künftig ein Spezialgetränk gegen die Atemnot bei COPD verfügbar?

Ein Spezialgetränk, das Kohlendioxid im Darm aufnimmt, könnte in Zukunft möglicherweise die Atemnot (hyperkapnische respiratorische Insuffizienz) lindern, unter der viele Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) leiden.

In Europa leiden mindestens 6 % der Bevölkerung an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und entwickeln als Endstadium ihrer Erkrankung häufig eine sog. chronisch-hyperkapnische respiratorische Insuffizienz. Das bedeutet, dass sie aufgrund ihrer geschädigten Lunge nicht nur zu wenig Sauerstoff aufnehmen können. Gleichzeitig sind sie im Verlauf ihrer Erkrankung auch immer weniger dazu imstande, das bei der Atmung anfallende Kohlendioxid effektiv auszuatmen, so dass es sich im Blut anreichert. Bei dem vergeblichen Versuch, das Kohlendioxid dennoch abzuatmen, wird die Atempumpe dieser Patienten (Zwerchfell und den Muskeln des Brustkorbes) überanstrengt und ermüdet zusehends.

Wenn das Kohlendioxid (CO2) nicht abgeatmet wird und im Körper verbleibt, kommt es zu einer systemischen Acidose (Ansäuerung des Blutes) mit einer 90 %igen Wahrscheinlichkeit, innerhalb von fünf Jahren zu versterben. Diese schwerkranken Patienten leiden unter dauerhafter Luftnot, was mit einer erheblich reduzierten Lebensqualität einhergeht. Aktuell besteht die Therapie in einer dauerhaften nicht-invasiven Beatmung über eine Maske, welche die Patienten allerdings in Ihrer Mobilität und sozialen Teilhabe (privat wie beruflich) deutlich einschränkt.

Auf der Suche nach einer einfachen Alternative zur dem in der Anwendung komplexen und für den Patienten einschränkenden Verfahren der nicht-invasiven Beatmung haben Forschende um Christian Cornelissen von der Universität Aachen sich die Frage gestellt: Welche natürliche Austauschfläche im menschlichen Körper kann einen Teil der Kohlendioxid-Elimination übernehmen? Dabei zeigt sich aus den Erfahrungen der Endoskopie, dass der Darm mit einer Oberfläche von 240 Quadratmetern und einer Durchblutung von 1 – 2 Litern pro Minute eine gute CO2-Austauschfähigkeit darstellt. Die Gefäße befinden sich in der Nähe der Oberfläche und ein Gasaustausch würde nicht durch Barrieren wie in der Haut behindert. Doch ein Kontakt mit der Außenluft findet Landlebewesen in der Regel nicht statt. Einige Fische wie Schlammpeitzger, Steinpeitzger oder Bartgrundel, aber auch Libellenlarven sind hingegen in der Lage, die Oberfläche des Darms zum Gasaustausch zu nutzen.

Cornelissen und sein Team wollen nun die „Darmatmung“ für die Behandlung von Patienten mit COPD verfügbar machen: Sie haben ein Getränk entwickelt (und patentieren lassen), das in der Lage ist, CO2 zu binden, das dann mit dem Stuhlgang ausgeschieden wird. Der sog. CO2R-Drink enthält kleine Partikel aus Kalziumhydroxid und Polyethlyen, die in einer 0,2 %igen Agar-Lösung schwimmen.

Erste Experimente an Schweinen, die einen den Menschen vergleichbaren Darmtrakt haben, wurden kürzlich auf dem Lungenkongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Düsseldorf vorgestellt. Sie zeigen, dass sich der arterielle Kohlendioxidpartialdruck (paCO2) im Blut mit dem Spezialgetränk senken lässt. Den Tieren wurde nach einer experimentell ausgelösten Anreicherung von Kohlendioxid im Blut (Hyperkapnie) die Suspension über den After in den Mastdarm (als Infusion rektal) verabreicht und die Auswirkungen auf den paCO2 über einen Zeitraum von 19,5 Stunden beobachtet. Die getesteten Suspensionen waren beide in der Lage, den paCO2 der Schweine zu senken.

Die Studie zeigt laut Cornelissen erstmals, dass CO2 in relevantem Maß über den Darm eliminiert werden kann. Das Team will den Ansatz weiterverfolgen, um in Zukunft neben der Beatmung und der extrakorporalen CO2-Elimination ein neues therapeutisches Verfahren zu etablieren.

Quelle: Angewandte Medizintechnik der Universität Aachen & Deutsches Ärzteblatt vom 27.3.2023