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Kritik an Versorgungssituation mit Lungenkrebsmedikament Osimertinib

Dem Wirkstoff Osimertinib wird hierzulande kein Zusatznutzen attestiert, obwohl er eine sehr gute Tumorrückbildung nach der Bildung von Resistenzmutationen bei der personalisierten Therapie von Lungenkrebs erreicht.

Seit Jahren werden Patienten mit Lungenkrebs identifiziert, die spezielle molekulare Strukturen aufweisen und die aufgrund dieser Situation hervorragend auf zielgerichtete Substanzen ansprechen („Personalisierte Medizin“). Die häufigste Mutation ist dabei mit etwa 10 % die des EGF-Rezeptors (englisch: Epidermal Growth Factor Receptor = EGFR). Allerdings entwickelt ein Großteil der Patienten nach einer Erstlinienbehandlung (mit Gefitinib, Erlotinib oder Afatinib) eine Genveränderung (Resistenzmutation), die sie gegenüber diesen Medikamenten unempfindlich macht, so dass sie nicht mehr wirken. Bei einer nachfolgenden Behandlung mit Osimertinib wird die Therapie allerdings wieder Erfolg versprechend: Damit sind erneut sehr gute Remissionen und Langzeitkontrollen des Lungenkrebses erreichbar, ohne dass relevante Nebenwirkungen auftreten (siehe The Lancet Respiratory Medicine 2016, Online-Veröffentlichung am 1.11.2016). Demgegenüber ist die alternative klassische, Platin-basierte Chemotherapie weniger wirksam und geht mit viel mehr Nebenwirkungen einher.
Eine vorläufige Zulassung von Osimertinib haben die Zulassungsbehörden der Europäischen Union, der USA und Canada aufgrund der überzeugenden Ergebnisse von Studien aus der frühen Entwicklungsphase von Osimertinib („Phase 2“-Studien) bereits erteilt, um an Lungenkrebs erkrankte Patienten mit der entsprechenden molekularen Struktur sofort behandeln zu können.

Bedauerlicherweise entschied der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) anhand eines IQWiG-Gutachtens am 15. September 2016, dass ein Zusatznutzen für Osimertinib mangels entsprechender Studienergebnisse („Phase 3“) nicht ausgewiesen werden könne. Dies führt nun dazu, dass der Hersteller Osimertinib am 1.12.2016 vom deutschen Markt nehmen wird – mit katastrophalen Folgen für die Betroffenen: Bereits mit Erfolg anbehandelte Patienten müssten die Therapie abbrechen. Neue Patienten, die diese Behandlung dringend benötigen, können nicht darauf eingestellt werden.

Die Deutsche Atemwegsliga e. V. weist daher in einer offiziellen Stellungnahme auf diese offensichtlich gewordene Verfahrenslücke im gesetzlichen System der Begutachtung neu zugelassener Medikamente hin, die für einige Lungenkrebspatienten hierzulande fatale Auswirkungen haben dürfte: „Einige Medikamente kommen in der Frühphase der Entwicklung mit besonderer Zulassung auf den Markt, da keine Alternativbehandlung zur Verfügung steht und die vorliegenden Daten die Experten der Zulassungsbehörden überzeugen. In diesen Fällen kann die gesetzliche Sechsmonatsfrist für die Begutachtung durch IQWiG nicht eingehalten werden. Es dauert offenbar ein ganzes Jahr länger, bis entsprechende Daten aus klassischen Zulassungsstudien („Phase 3“) vom Hersteller vorgelegt werden können, die die Beurteilung des Zusatznutzens nach dem bewährtem Verfahren erlauben. In anderen Ländern mit vergleichbarem Bewertungssystem gibt es geeignete Regelungen. Zur gleichen Zeit als der G-BA seinen Beschluss gefasst hat, entschied die mit IQWiG und G-BA vergleichbare Institution im Vereinigten Königreich (NICE), dass Osimertinib für den National Health Service weiterhin zur Verfügung stehen wird.“

Quelle: Deutsche Atemwegsliga e.V.