„Deutschland kann es sich nicht mehr leisten, dass Jugendliche wegen eines gesundheitlichen Handicaps keine vernünftige Schul- und Berufsausbildung machen, während es gleichzeitig immer mehr an qualifizierten Fachkräften mangelt“, erklärt der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft medizinisch-berufliche Rehabilitation, Dr. Joseph Lecheler. Als Leiter einer CJD-Rehaeinrichtung in Berchtesgaden, in der Jugendliche mit Asthma bronchiale, Diabetes, Mukoviszidose und Adipositas eine Berufsausbildung machen können, weiß er, wie wichtig so ein Angebot ist: „Diese Jugendlichen haben es auf dem freien Ausbildungsmarkt schwer, eine Lehrstelle zu finden. Mit der entsprechenden Schulung und Ausbildung können sie aber ohne weiteres voll in einen Beruf einsteigen.“ Inmitten der Finanz- und Wirtschaftskrise bleiben diese Hilfsangebote jedoch nicht ungeschoren.
Auf einer Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft medizinisch-beruflicher Rehabilitation Anfang Mai in Bonn bewerteten Rehaexperten aus ganz Deutschland die Zukunftsaussichten unter den neuen Vorzeichen der Gesundheitsreform. Ihr Resümee fällt recht düster aus: Auf der Basis einer umstrittenen Liste von Krankheiten, dem so genannten morbititätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), erhalten Krankenkassen Ausgleichszahlungen für die Behandlung bestimmter Indikationen. Für nicht im Morbi-RSA enthaltene Krankheiten gibt es dagegen kein Geld – und das betrifft auch weit verbreitete Volkskrankheiten. Das führt bereits jetzt dazu, dass z.B. weniger übergewichtige Jugendliche eine Rehamaßnahme bewilligt bekommen. Werden die nicht enthaltenen Krankheiten also in Zukunft schlechter oder gar nicht mehr behandelt? Kann Rehabilitation ihr Ziel überhaupt noch effektiv verfolgen, den Kranken wieder ein normales Leben mit einer normalen Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen?
Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftforschung (RWI) Essen sieht für 2009 noch keine wesentliche Beeinträchtigung der Rehabranche. Für die Jahre 2010 und 2011 erwartet er jedoch gravierende negative Folgen sowohl für die Belegung der Rehakliniken als auch für die grundsätzliche Finanzierungsbereitschaft der Kostenträger. Die Zahl der Insolvenzen bzw. der von Insolvenz bedrohten Kliniken wird auf über 25 Prozent steigen.
Die langfristige Prognose ist zum Glück etwas besser: „In den folgen Jahren bis 2020 wird sich die wirtschaftliche Lage der Rehaklinken deutlich bessern, auch die Zahl der zu erwartenden Insolvenzen im Rehabilitationsbereich wird drastisch abnehmen“, so Augurzky. Grund ist insbesondere die Zunahme von chronischen Erkrankungen und die demographische Entwicklung, welche die Rehabilitation zu einem unverzichtbaren Faktor der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung machen wird.
Allerdings sind die Voraussetzungen für die Rehaeinrichtungen sehr unterschiedlich: „Die rentenversicherungseigenen Häuser werden besser genutzt, während die Privat- und gemeinnützig betriebenen Häuser deutlich schlechter belegt und dem Konkurrenzdruck erheblich mehr ausgesetzt sind“, erläutert Lecheler, „Die Folgen für die Betreuungsqualität sind unschwer ableitbar.“ Anpassungen, Umorganisation und Änderungen der Rehabilitationsangebote werden dadurch noch schneller erfolgen müssen. Einziger Trost in der gegenwärtigen Lage bleibt die langfristige Zukunftsprognose ab Ende des nächsten Jahrzehntes – jedenfalls für Rehabilitationskliniken, die es dann noch geben wird.