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Können manche Formen der Lungenfibrose in Zukunft möglicherweise geheilt werden?

Heidelberger Wissenschaftler haben entdeckt, dass ein körpereigenes Protein Vernarbungen in der Lunge im Tierversuch rückgängig machen kann. Dieser Mechanismus der Erbgut-Reparatur könnte einen neuen Therapieansatz zur Behandlung mancher Formen von Lungenfibrose bieten. Viele Fragen sind allerdings noch offen.

Bisher ist das körpereigene Protein RAGE (Receptor of Advanced Glycation Endproducts) meist negativ im Zusammenhang mit chronischen Entzündungen und diabetischen Folgeschäden aufgefallen. Es spielt offenbar aber auch eine wichtige Rolle bei der Reparatur von Schäden im Erbgut (DNA) und kann dabei auch die Ausheilung von Gewebeschäden in Folge von beschleunigter Zellalterung bewirken. Das haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung entdeckt (siehe Nucleic Acids Research 2017, Band 45/18: Seite 10595-10613).

Auf den möglichen therapeutischen Nutzen des Proteins stießen sie bei Mäusen, die kein RAGE bilden können: Diese entwickeln aufgrund ihrer eingeschränkten Erbgut-Reparatur ausgeprägte Vernarbungen in der Lunge, eine sogenannte Lungenfibrose. Nach Behandlung mit dem Protein heilten die Vernarbungen aber aus. „Das ist insofern erstaunlich, als dass man Fibrosen bisher als unumkehrbar angesehen hat. Mit RAGE könnten wir erstmals einen möglichen Ansatzpunkt zur Heilung dieser häufigen Gewebeschäden gefunden haben“, berichtet Seniorautor Prof. Dr. Peter Nawroth, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie Heidelberg. „Viele Fragen – z.B. wie diese Heilung im Detail funktioniert – sind allerdings noch offen.“

RAGE ist in der medizinischen Forschung hinreichend bekannt. Das Protein spielt nicht nur bei Diabetes sondern auch bei chronischen und überschießenden Entzündungsreaktionen wie Arteriosklerose und Blutvergiftung (Sepsis), aber auch bei Alzheimer-Demenz und der Krebsentstehung eine entscheidende Rolle. Das Protein ist dabei hauptsächlich auf den Oberflächen von Gewebezellen und Zellen des Immunsystems aktiv. Im Inneren der Zellen dagegen, genauer gesagt im Zellkern, zeigt RAGE eine ganz andere Seite von sich: Hier ist es für die fehlerfreie Reparatur schwerer DNA-Schäden, der sogenannten Doppelstrangbrüche, zuständig, wie das Heidelberger Forscherteam herausfand. Bei diesen Schäden sind die beiden miteinander verknüpften und umeinander gewundenen Stränge der Erbinformation vollständig gekappt. Ohne zeitnahe Reparatur würde die Zelle schnell zugrunde gehen.

Da die DNA in den Zellen den Masterplan für alle Vorgänge in der Zelle enthält, wird sie ununterbrochen abgelesen und beansprucht – daher werden Fehler im Erbgut (Genveränderungen) extrem häufig: In jeder Körperzelle kommt es rein rechnerisch wohl mehrere tausendmal pro Tag zu Defekten in diesem lebenswichtigen Molekül. Störungen in den komplexen Reparaturmechanismen, beispielsweise weil die Zellen in besonderem Maße Giften aus der Umwelt oder schädlichen Stoffwechselprodukten ausgesetzt sind, können dazu führen, dass ganze Gewebeverbände rapide altern, degenerieren und vernarben. Beispiele sind die Leberfibrose bei Alkoholmissbrauch oder Netzhaut- und Nierenschäden bei der Zuckererkrankung Diabetes mellitus. Derzeit gibt es keine brauchbaren Wirkstoffe, um Störungen dieser Reparaturmechanismen gezielt zu beheben und Gewebeschäden z.B. bei Diabetes zu verhindern.

Mäuse, die aufgrund eines genetischen Defekts kein RAGE bilden können, erkranken unter anderem an Lungenfibrose. Die Lunge ist besonders anfällig für Gewebeschäden, da sie über die Atemluft in ständigem Kontakt mit der Außenwelt steht und in besonderem Maße Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Im Tiermodell gelang es den Forschern, den bis dato noch unbekannten molekularen Mechanismus der DNA-Reparatur unter RAGE-Beteiligung aufzuklären und wichtige weitere Protagonisten zu identifizieren. Schleusten sie mit Hilfe veränderter Viren RAGE in die Lungen der Mäuse ein, normalisierte sich nicht nur die DNA-Reparatur: Zur Überraschung der Wissenschaftler regenerierte sich das vernarbte Gewebe und erhielt einen Teil seiner Funktionsfähigkeit zurück.

Die veröffentlichte Arbeit liefert nicht nur wichtige Erkenntnisse über den molekularen Zusammenhang zwischen der RAGE-vermittelten DNA-Reparatur, Zellalterung und Fibrose. „Erstmals ist möglicherweise eine molekulare Therapie zur Reparatur von Erbgut- und Zellschäden in der Lunge und damit zur Vorbeugung von Fibrosen oder Tumoren, die ebenfalls in Folge von DNA-Schäden auftreten, in greifbare Nähe gerückt“, hofft Erstautor Dr. med. Varum Kumar, Universitätsklinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie Heidelberg und Deutsches Zentrum für Diabetesforschung. Als nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob RAGE auch bei Leber- und Nierenfibrose eine Rolle spielt und eine Behandlung mit dem Protein auch diese Organschäden beheben kann. Die RAGE-Therapie mittels veränderter Viren ließ sich das Team bereits patentieren.

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg