Lungenentzündung, schwere Infektionen und Lungenembolie, aber auch akuter Brustschmerz sind häufige Gründe, die Notaufnahme im Krankenhaus aufzusuchen. Jede Verzögerung bei Diagnose und Therapie kann die Überlebenschancen der Patienten nachhaltig verschlechtern. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) hat deshalb “Klug-entscheiden”-Empfehlungen (KEE) für die Notfallambulanz herausgegeben. Diese sollen eine zielgerichtete Therapie pragmatisch unterstützen. Dabei gilt es auch, Unter- und Überversorgung des Patienten zu vermeiden. Die soeben erschienenen KEE identifizieren wichtige Maßnahmen der Diagnostik und Therapie, die nach Einschätzung der an der Erstellung beteiligten medizinischen Fachgesellschaften nicht immer fachgerecht erbracht werden. Bei außerhalb des Krankenhauses, also ambulant erworbenen Lungenentzündungen etwa, rät die auf hochwertigen klinischen Studien basierende KEE Ärzten zu einer unverzüglichen Antibiotikatherapie – zunächst ohne das Ergebnis der zeitaufwändigen Bestimmung des Keimspektrums abzuwarten.
Lungenentzündungen gehören zu den häufigsten Diagnosen in der Notaufnahme. Den KEE für die Notfallambulanz folgend soll die Therapie angepasst werden ? je nachdem, ob die Erkrankung außerhalb, im Krankenhaus oder aufgrund einer Immunschwäche erworben wurde. Patienten mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie etwa sollen demnach sofort, noch vor Vorliegen des genauen beteiligten Erregerspektrums, eine intravenöse Therapie mit einer Kombination verschiedener Breitspektrumantibiotika erhalten. Diese deckt weitgehend alle typischen an dem Infekt beteiligten Bakterien ab.
„Bis zu 30 Prozent der Patienten mit einer ambulant erworbenen Pneumonie sterben an dieser Pneumonieform. Für das Überleben entscheidend ist deshalb der frühzeitige Beginn der antibiotischen Therapie“, erläutert Prof. Claus Vogelmeier, Direktor der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin der Philipps-Universität Marburg und Vorsitzender der DGIM 2018/2019.
Unabhängig davon sollen laut KEE bei allen Patienten mit Verdacht auf schwere Infektionen vor der Gabe von Antibiotika mindestens zwei Blutkulturen an verschiedenen Punktionsstellen zur Bestimmung des Keimspektrums entnommen werden. „Damit schließen wir Fehldiagnosen, etwa durch Kontamination an der Entnahmestelle, aus“, so Prof. Vogelmeier. Dieses Vorgehen gelte auch bei der ambulant erworbenen Pneumonie. Je nach Ergebnis könne dann in einem zweiten Behandlungsschritt die anfänglich breite Antibiotikatherapie durch einen weiteren Wirkstoff ergänzt werden.
Weitere KEE für die Notaufnahme betreffen das Vorgehen bei Atemnot, akutem Brustschmerz oder die Stufendiagnostik bei Verdacht auf Lungenembolie.
„Gerade in der Notfallmedizin ist es sehr schwer, aktuelles Leitlinien-Wissen aus allen Fachbereichen stets parat zu haben“, erklärt Prof. Gerd Hasenfuß aus Göttingen, Sonderbeauftragter der DGIM für die Themen ‚Digitale Medizin‘ und ‚Klug entscheiden‘. Schließlich umfasse das Leistungsspektrum hier das gesamte Gebiet der Inneren Medizin. „Die neuen KEE sollen in der Notaufnahme tätige Ärztinnen und Ärzte bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit im Hinblick auf die richtige Behandlung bei internistischen Erkrankungen unterstützen“, betont Prof. Hasenfuß, der federführend bei der Erstellung dieser KEE war. „Die Empfehlungen orientieren sich an den gültigen Leitlinien. Hinzu kommen aber auch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse“, ergänzt Prof. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel.
Mit den KEE soll Unterversorgung, also das zu seltene Anbieten von wissenschaftlich belegten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, vermieden werden. Ebenso gilt es, die Patienten nicht überzuversorgen. „Bei Überversorgung handelt es sich um Leistungen, die der Patient erhält, obwohl sie wissenschaftlich für die individuelle Situation als unwirksam erkannt wurden und deshalb nicht angewendet werden sollten“, erläutert Fölsch. Unter- oder Überversorgung kämen vor aus Sorge der Ärzte, etwas Wichtiges zu unterlassen, und ebenso, weil Patienten bestimmte Therapien einforderten. Weitere Gründe sind Unkenntnis von Leitlinien und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Orientierung an den KEE könne Leben retten, ist sich Fölsch sicher. Darüber hinaus seien sie ein wichtiger Beitrag zum verantwortungsvollen Umgang mit den Geldern der Krankenversicherten.
‚Klug entscheiden‘ ist eine Qualitätsoffensive der DGIM, die sich gegen Über- und Unterversorgung in der Medizin wendet. Klug-entscheiden-Empfehlungen (KEE) sollen eine konkrete Hilfe bei der Indikationsstellung zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sein. Unter dem Dach der DGIM nehmen zwölf Fachgesellschaften an der Initiative teil und haben praktische Empfehlungen erstellt. Aktuell liegen 125 KEE, davon 66 Positiv- und 59 Negativempfehlungen, vor – auch die Lungenärzte haben schon Empfehlungen veröffentlicht:
- Lungenfunktionstest für Raucher empfehlenswert:
https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/lungenfunktionstest-fuer-raucher-empfehlenswert/ - Wie sich eine Lungenembolie auch ohne CT ausschließen lässt: https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/wie-sich-eine-lungenembolie-auch-ohne-ct-ausschliessen-laesst/
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)