Eine Influenza-Erkrankung äußert sich bei Kindern häufig anders als bei Erwachsenen. „Kinder klagen oft über Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Aber auch vermehrte Müdigkeit, Appetitlosigkeit, ein allgemeines Unwohlsein und unspezifische Hautausschläge können auf eine Grippeinfektion hinweisen“, erläutert Dr. Ursel Lindlbauer-Eisenach vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut in Berlin. „In einer finnischen Studie litt jedes zehnte Kind, das an Grippe erkrankt war, unter Durchfall. Bei Erwachsenen ist das äußerst selten. Die typischen Grippesymptome - wie sie bei Erwachsenen auftreten – gibt es bei Kindern nicht. Sie sind sehr unspezifisch und machen es zunächst kaum möglich, eine Influenza bei Kindern festzustellen und sie von anderen Infektionskrankheiten zu unterscheiden. Um sicher zu sein, dass es sich um eine Influenza handelt, muss ein Abstrich von der Mund- oder Nasenschleimhaut genommen und im Labor auf das Influenza-Virus untersucht werden“, so die niedergelassene Kinder- und Jugendärztin aus München. Dagegen kann bei Erwachsenen eine Influenza-Infektion verhältnismäßig einfach festgestellt werden. Bei ihnen beginnt die Grippe mit plötzlichem hohen Fieber, Schüttelfrost, starken Kopf- und Gliederschmerzen sowie einem trockenen und quälenden Husten.
20 bis 30 Prozent infizieren sich jeden Winter
Bedingt durch die schwierige Diagnose der Influenza bei Kindern war lange unklar, wie viele Kinder sich pro Saison mit Grippe-Viren infizieren. Finnische Mediziner, die in einer Studie mit 1.500 Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 13 Jahren die Symptome und Häufigkeit von Influenza-Infektionen in dieser Altersgruppe untersuchten, kommen zu einem überraschenden Ergebnis. In jedem Winter wurden durchschnittlich 20 bis 30 Prozent der Kinder mit Grippe-Viren infiziert. „Damit sind Kinder mindestens genau so stark von der Influenza betroffen wie ältere Menschen, die besonders häufig an Grippe erkranken und als Risikogruppe eingestuft werden“, warnt Dr. Lindlbauer-Eisenach. Auch bei der Zahl der ärztlichen Behandlungen wegen akuter Atemwegserkrankungen, die als Maßstab für die Häufigkeit von Grippeinfektionen herangezogen werden, nehmen Kinder einen Spitzenplatz ein. In den USA wurden Kinder im Alter unter 5 Jahren während 2 aufeinander folgender Grippewellen dreimal häufiger, Kinder zwischen 5 und 9 Jahren doppelt so häufig wegen akuter Atemwegserkrankungen ambulant behandelt im Vergleich zu allen anderen Altergruppen. „Besonders häufig tritt als Komplikation eine Mittelohrentzündung auf, die mit Antibiotika behandelt werden muss“, so die Kinder- und Jugendärztin. „Kommt es durch eine Influenza-Infektion zu schwer wiegenden Komplikationen, müssen die jungen Patienten in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Die Daten von klinischen Studien aus verschiedenen Ländern haben gezeigt, dass kleine Kinder wegen Grippe bedingten Komplikationen ähnlich häufig im Krankenhaus behandelt werden müssen wie Erwachsene mit einer chronischen Erkrankung, die ebenfalls durch eine Influenza-Infektion besonders stark gefährdet sind.
Grippeschutz für Kinder ist sinnvoll
Kinder können bereits ab dem sechsten Lebensmonat gegen Grippe geimpft werden. Die STIKO empfiehlt die Grippe-Impfung derzeit für Kinder mit einer chronischen Erkrankung wie beispielsweise Asthma bronchiale chronische Nieren- und Herzkrankheiten sowie Diabetes. „Die Häufigkeit der Infektionen, ärztlichen Behandlungen, Komplikationen und Klinikeinweisungen zeigen aber, dass der jährliche Grippeschutz auch für diese Altersgruppe grundsätzlich sinnvoll ist“, erklärt Prof. Bernhard R. Ruf vom Klinikum St. Georg in Leipzig und Zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). „Hinzu kommt, dass die Grippe-Viren insbesondere von Kindern verbreitet werden, weil sie häufig Körperkontakt zu Gleichaltrigen und Bezugspersonen haben. Seit einiger Zeit beobachten wir, dass zu Beginn einer Grippewelle meistens die jüngeren Altersgruppen betroffen sind, die dann ihre Eltern und andere erwachsene Kontaktpersonen anstecken.“ Das schwierige Erkennen einer Grippe bei Kindern aufgrund der unspezifischen Symptome verstärkt diesen Effekt. Die Infektion bleibt in vielen Fällen unerkannt und kann sich ungehindert ausbreiten. „ Wenn es gelingen würde, mehr Kinder gegen Grippe zu impfen, könnten dadurch vermutlich die jährlichen Grippewellen eingedämmt werden“, so Prof. Ruf. Dass eine verstärkte Aufklärung über die Influenza und den Nutzen höherer Impfraten sinnvoll sind, zeigt auch ein jetzt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgestellter Aktionsplan. Danach sollen sich bis zum Jahr 2010 in Deutschland und anderen Industrieländern 75 Prozent der Bevölkerung gegen Grippe impfen lassen. Im Vergleich zur jetzigen Situation würde dies eine Verdreifachung der Grippeimpfraten bedeuten. Die diesjährige Grippe-Impfsaison läuft bereits auf Hochtouren. Wer sich vor einer Grippe schützen will, sollte sich deshalb jetzt impfen lassen.
Quelle: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte