Eine vorsorgliche (präventive) Bestrahlung des Kopfes kann womöglich das Leben mancher Lungenkrebspatienten verlängern. Nach der Bestrahlung überlebten doppelt so viele Patienten mit einem sehr gefährlichen kleinzelligen Bronchialkarzinom für mindestens ein Jahr wie nach einer Chemotherapie alleine. Das berichtet die europäische Organisation für Krebsforschung (EORT) in Brüssel unter Berufung auf eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung von Ben Slotman und seinen Kollegen an der Universität Amsterdam, die im New England Journal of Medicine erschienen ist. Das kleinzellige Bronchialkarzinom macht rund 15 Prozent aller Lungenkrebsfälle aus. Tochtergeschwülste (Metastasen) im Gehirn gehören bei diesen Patienten zu den Haupttodesursachen. Ohne Therapie haben Patienten eine Lebenserwartung von zwei bis vier Monaten, die durch eine Chemotherapie verlängert werden kann. Allerdings erreichen die dabei eingesetzten Medikamente auf Grund der Bluthirnschranke nicht das Gehirn, welches aber ein bevorzugtes Ziel der Metastasenbildung ist. Deshalb wird zumindest bei Patienten im Frühstadium des kleinzelligen Bronchialkarzinoms bereits eine Schädelbestrahlung durchgeführt.
Die Arbeitsgruppe um Ben Slotman wollte wissen, ob auch solche Patienten von einer Bestrahlung des Kopfes profitieren, bei denen der Lungenkrebs schon weiter fortgeschritten ist, wobei aber noch keine Metastasen im Hirn nachgewiesen wurden. Für ihre Studie teilten die Mediziner 286 Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligen Bronchialkarzinom in zwei gleich große Gruppen auf, von denen eine nach den üblichen vier bis sechs Chemotherapiezyklen prophylaktisch am Kopf bestrahlt wurde. Nach einem Jahr waren 27 Prozent der bestrahlten Patienten noch am Leben, aber nur noch 13 Prozent der unbestrahlten. Zudem wurde das Auftreten von Hirnmetastasen (von 40,4 auf 14,6 Prozent) gesenkt. Damit habe die vorsorgliche Bestrahlung das Risiko von Hirnmetastasen gesenkt und die Überlebenszeit deutlich verlängert, fasst Slotman zusammen. „Da die prophylaktische Schädelbestrahlung gut vertragen wird und nicht die Lebensqualität beeinträchtigt, sollte diese Behandlungsform künftig allen Patienten mit einem fortgeschrittenen kleinzelligen Bronchialkarzinom angeboten werden, deren Krebs auf die Chemotherapie anspricht“, urteilt der Mediziner. Allerdings wirken die in der Studie angeführten Zahlen – wie das Deutsche Ärzteblatt schreibt - bezogen auf den absoluten Überlebensgewinn weitaus weniger überzeugend: Die mittlere Überlebenszeit ohne Metastasen wurde lediglich von 12 auf 14,7 Wochen verlängert, das Gesamtüberleben stieg von 5,4 auf 6,7 Monate. Es wäre deshalb übertrieben von einem Durchbruch zu sprechen, zumal die Strahlentherapie auch unerwünschte Nebenwirkungen habe. So traten bei den Patienten nach der Bestrahlung die folgenden Beschwerden deutlich häufiger auf: Abgeschlagenheit (54 statt 39 Prozent), Haarausfall (37 statt 12 Prozent), aber auch Appetitlosigkeit (44 statt 15 Prozent nach 3 Monaten), Übelkeit und Erbrechen (27 statt 8 Prozent nach 3 Monaten) sowie Schwächen in den Beinen (32 statt 16 Prozent nach 3 Monaten).
Quelle. New England Journal of Medicine(2007), Band 357, Seite 664.
Zusammenfassung (abstract)