Eine Grippeinfektion im Säuglingsalter kann Mäusen offenbar einen Schutz davor verleihen, im Erwachsenalter an allergischem Asthma bronchiale zu erkranken. Das haben Forscher aus den USA und Japan um Dale Umetsu von der Harvard Medical School in Boston durch verschiedene Experimenten herausgefunden (siehe Journal of Clinical Investigation, Online-Vorabveröffentlichung am 13.12.2010): Sie infizierten zum einen zwei Wochen alte, säugende Mäusekinder und zum anderen erwachsene (acht Wochen alte) Mäuse einer Kontrollgruppe mit Influenza-A-Viren des Stammes H3N1 und testeten dann sechs Wochen später deren Anfälligkeit gegenüber Allergieauslösern (Allergenen). Nur die erst im Erwachsenalter infizierten Mäuse reagierten überempfindlich auf die Allergene mit einer so genannten Hyperreaktivität der Atemwege, bei der sich die Bronchien gegenüber eigentlich harmlosen Antigenen krampfartig zusammenziehen – ähnlich wie bei einem Asthmaanfall. Demgegenüber erwiesen sich die als Säuglinge infizierten, nun zu Erwachsenen herangewachsenen Mäuse als immun gegenüber den getesteten Allergieauslösern. In weiteren Versuchen stellten die Forscher dann auch fest, worauf dieser Schutzeffekt basierte: Die betroffenen Mäuse hatten vermehrt spezielle Immunzellen – so genannte natürliche Killer-T-Zellen (NKT) – gebildet, die sie offenbar vor der für Asthma charakteristischen, bronchialen Überempfindlichkeit zu schützen vermochten.
Als die Wissenschaftler diese NKT-Zellen auf normale, das heißt nicht mit H3N1-Viren geimpfte Mäuse übertrugen, konnten sie interessanterweise auch den Schutzeffekt übertragen: Die entnommenen NKT-Zellen verhinderten nach ihrer Übertragung auch bei diesen Tieren eine spätere Überempfindlichkeit der Atemwege auf potenzielle Allergieauslöser.
Schließlich suchten die Forscher nach weiteren Möglichkeiten, um die NKT-Zellen zu stimulieren, ohne dafür gefährliche Influenza-Viren einsetzen zu müssen. Und sie wurden fündig: mit Heliobacter pylori, einem Bakterium, das gerne in den Mägen von Säugetieren lebt und dort mitunter auch Geschwüre und Krebs verursachen kann. Vor zwei Jahren bereits wurde entdeckt, dass Heliobacter auch von Vorteil sein kann, weil es in der Magenwand (und dadurch im gesamten Körper) die Bildung von regulatorischen T-Zellen anregt. Diese sind Teil des Immunsystems und sorgen dafür, dass es gegenüber Antigenen tolerant bleibt und nicht – wie bei Allergikern - überreagiert. In ihren Tierversuchen stellten die Forscher um Dale Umetsu fest, dass auch der Magenkeim Heliobacter vor späterem Asthma schützen kann, wenn er auf junge Mäuse übertragen wird.
All diese Experimente bestätigen die so genannte Hygiene-Hypothese, die vermutet, dass Kinder, die aufgrund übertriebener Hygiene in frühen Jahren mit zu wenig Krankheitserregern und anderen Mikroorganismen in Kontakt kommen, später eher an Allergien und Asthma erkranken. Das würde erklären, warum Allergien gerade in der westlichen Welt immer häufiger werden. Tatsächlich weisen immer weniger Kinder das Bakterium Heliobacter im Magen auf: In den USA z.B. nur noch sechs Prozent der Kinder – vor zwei Generationen waren es noch 70 Prozent!
Die Forscher wollen jetzt Therapeutika entwickeln, mit denen sich die Bildung von NKT-Zellen stimulieren lässt, und die man künftig Asthma-gefährdeten Kindern verabreichen könnte, um so die Entwicklung eines Asthmas zu verhindern. „Natürlich werden wir Menschen nicht mit etwas Gefährlichem infizieren, um Asthma abzuwenden“, erklärt Umetsu. „Wir werden versuchen, die guten Teile der Infektion von den bösen zu trennen.“