Ähnlich wie Bakterien, Viren und andere Parasiten können auch Kristalle Krankheiten hervorrufen: So wird zum Beispiel die Staublunge der Bergarbeiter durch Quarzsand ausgelöst, Harnsäurekristalle in den Gelenken können Gicht verursachen und auch bei der neurodegenerativen Alzheimerschen Erkrankung spielen kristalline Strukturen eine entscheidende Rolle. Dabei reagiert der Körper auf alle Kristalle gleich: Unabhängig von deren spezifischer Struktur - ob es sich nun um kristallines Material oder zusammengelagerte Proteine handelt - setzen Kristalle immer die gleiche Immunreaktion in Gang. So kommt es in all den genannten Krankheitsfällen zu einer massiven Entzündungsreaktion, da der Körper versucht, die kristallinen Fremdkörper in speziellen Zellorganen, den so genannten Phagolysosomen, abzubauen. Da dies aber nicht glückt und der Körper die kristallinen Fremdkörper letztlich nicht beseitigen kann, wird diese Entzündungsreaktion chronisch. Ein internationales Forscherteam von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und der University of Massachusetts Medical School in Worcester (USA) hat jetzt die molekularen Mechanismen näher untersucht, die diesen Abwehrreaktionen zugrunde liegen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Immunology (online-Vorabveröffentlichung am 11. Juli 2008) veröffentlicht.
„Die Kristalle in den Phagolysosomen führen zu einer Beschädigung der zellulären Organe, in denen sie abgebaut werden sollen – also der Phagolysosomen“, erklärt Franz Bauernfeind von der LMU München. „Daraufhin werden Eiweiß abbauende Enzyme in das Zellinnere abgegeben. Für den Körper ist dies ein universelles Gefahrensignal, auf das er mit einer Entzündung antwortet. Bei dieser Reaktion spielt das Enzym Cathepsin-B eine zentrale Rolle. Aber auch das Protein Nalp3 übernimmt eine Schlüsselrolle, denn es erkennt die zerstörten Lysosomen als Gefahrensignal und initiiert die Abwehrreaktion. Nalp3 ist ein ganz entscheidender Bestandteil des so genannten Inflammasoms – das ist ein Komplex aus mehreren Immunfaktoren, der auf unspezifische Gefährdungen des Organismus reagiert. So aktiviert Nalp3 über mehrere Zwischenschritte den Immunfaktor Interleukin-1, der schon in geringen Mengen zu Fieber und anderen entzündlichen Reaktionen führt.“
Wegen ihres Potenzials, Immunreaktionen auszulösen, werden Kristalle auch bei Impfungen eingesetzt – und zwar in Form von Aluminiumsalzen als so genanntes Adjuvans, das die Wirkung des Impfstoffs unterstützen und verstärken soll. „Dabei macht man sich also zu Nutze, dass das kristalline Adjuvans eine verstärkte - und in diesem Fall erwünschte - Abwehrreaktion auslöst und auf diesem Weg einen größeren Impferfolg bewirken kann“, erläutert Bauernfeind. „Aber auch das Nalp3, von dem wir jetzt wissen, dass es als universeller Sensor von Gefahrsignalen eine zentrale Rolle bei verschiedenen Entzündungsmechanismen spielt, wird künftig sicherlich ein wichtiges Zielmolekül der pharmakologischen Forschung sein“, meint Bauernfeind.