Wenn Corona eines gezeigt hat, dann wie wichtig wirksame Arzneimittel gegen sich rasch ausbreitende Viren sind. Neuen antiviralen Wirkstoffkandidaten sind jetzt Forschende der Universitäten Hohenheim und Tübingen auf die Spur gekommen: Bestimmte Inhaltsstoffe von Hopfen- oder auch Bier besitzen eine nachweisbare antivirale Aktivität gegen SARS-CoV-2. Allerdings raten die Forschenden davon ab, virale Erkrankungen mit Bier behandeln zu wollen: Dazu ist die Konzentration der Inhaltsstoffe nicht hoch genug und der enthaltene Alkohol eher schädlich.
Auch wenn sehr große Teile der Weltbevölkerung gegen Corona geimpft sind und/oder sich bereits infiziert haben, besteht nach wie vor ein Bedarf an neuen Virostatika zur Behandlung schwerer COVID-19-Fälle oder im Rahmen der allgemeinen Pandemievorbereitung. Dies gilt insbesondere, wenn die erworbene Immunität gegen ständig neu auftretende Varianten des Virus nicht von langer Dauer ist.
Mit besonders interessanten Wirkstoffkandidaten haben sich Forschende der Universität Hohenheim und des Universitätsklinikums Tübingen beschäftigt: Die Arbeitsgruppen von PD Dr. Günter Fritz vom Fachgebiet Zelluläre Mikrobiologie sowie von Prof. Dr. Dr. Sascha Venturelli vom Fachgebiet Biochemie der Ernährung in Hohenheim konnten in Zusammenarbeit mit der Tübinger Forschungssektion Molekulare Virologie von Prof. Dr. Michael Schindler sowie dem Zentrum für Virotherapie von Prof. Dr. Ulrich Lauer zeigen, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Hopfen (Humulus lupulus) oder auch Bier eine nachweisbare antivirale Aktivität gegen SARS-CoV-2 besitzen.
Die Hemmung der viralen Vermehrung (Virusreplikation) eines fluoreszenzmarkierten infektiösen SARS-CoV-2 Stammes in menschlichen Zellen konnten die Forschenden bereits in niedrigen mikromolaren Konzentrationen beobachten. Als besonders effektiv erwiesen sich hierbei vor allem die Hopfeninhaltsstoffe Xanthohumol und sein Derivat 6-Prenylnaringenin. Die hierfür zugehörigen aufwändigen Infektionsexperimente wurden in einem Hochsicherheitslabor der biologischen Sicherheitsstufe 3 am Universitätsklinikum Tübingen durchgeführt.
Bei der Aufklärung des Wirkmechanismus zeigte sich sowohl anhand von Computersimulationsmodellen (in silico Experimente) als auch in biochemischen und Zellkulturuntersuchungen (in vitro Experimente) eine bisher unbekannte starke Hemmung des für die Virusausbreitung wichtigen Enzyms (SARS-CoV-2 Papain-like-protease = PLpro) durch Xanthohumol sowie durch bestimmte zugehörige Derivate.
Bisher war vor allem ein anderes relevantes Virusenzym - die SARS-CoV-2 Main Protease (Mpro) - Gegenstand der intensiven Suche nach antiviralen Wirkstoffen. Eine Hemmung der PLpro eröffnet jedoch ganz neue und vielversprechende Perspektiven: Anders als bei einer Hemmung der Mpro, bewirkt die Inaktivierung der PLpro nicht nur eine direkte Hemmung der Virusvermehrung (Replikation), sondern wirkt zusätzlich auch noch den immunsuppressiven (also den das Immunsystem unterdrückenden) Effekten von SARS-CoV-2 entgegen.
Dies macht den Nahrungsmittelinhaltsstoff Xanthohumol (einschließlich seiner Derivate 6-Prenylnaringenin, 8-Prenylnaringenin und auch Isoxanthohumol) zu vielversprechenden Molekülen für die weitere Entwicklung antiviraler Substanzen. Derartige neue, auf den Hopfeninhaltstoffen basierende Wirkstoffe könnten das Arsenal an antiviralen Wirkstoffen erweitern, um auf mutierte Virusvarianten oder mögliche zukünftige Pandemien besser vorbereitet zu sein. Besonders interessant: Xanthohumol hemmt nicht nur die PLpro sondern zusätzlich auch die Mpro - also beide für das Virus relevante Enzyme.
Diese und weitere Ergebnisse legen ganz eindrücklich nahe, dass es unter den Nahrungsmittelinhaltsstoffen noch eine Vielzahl bislang wenig beachteter hochwirksamer und zugleich gut verträglicher Wirkstoffe für ganz unterschiedliche Krankheitsbilder geben könnte.
Quelle: Universität Hohenheim