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Hitzestress infolge Klimaerwärmung erhöht Sterberisiko von Lungenpatienten

Lungenpatienten sollten während der Sommermonate telemedizinisch betreut werden, um sie besser vor Hitzestress schützen zu können. Das empfehlen Experten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) anlässlich des 58. DGP-Kongresses, der vom 22. bis 25. März 2017 in Stuttgart stattfand.

Sommerliche Hitzewellen erhöhen das zusätzliche tägliche Sterberisiko von Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen um bis zu 14 Prozent - bei längeren Hitzewellen sogar bis zu 43 Prozent! An heißen Tagen kommt es auch häufiger zu teils lebensbedrohlichen Verschlechterungen (Exazerbationen) im Krankheitsverlauf, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) empfiehlt daher, Frühwarn- und Interventionssysteme zu erarbeiten und Lungenpatienten während der Sommermonate telemedizinisch zu betreuen.

Hintergrund Klimawandel: Seit 1880 ist die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,85 Grad Celsius gestiegen. Die letzten Jahre - genauer: von 1983 bis 2012 - waren die bisher heißesten drei Jahrzehnte. Orientiert man sich an den derzeit führenden Klimamodellen, so ist davon auszugehen, dass ab 2050 circa 50 Prozent aller zukünftigen Sommer mit Hitzewellen verlaufen werden. Demnach werden Sommer, die in den 1950er-Jahren zu den fünf Prozent der heißesten aller Sommer gehörten, am Ende des 21. Jahrhunderts zur Regel werden und in Modellberechnungen demnach wesentlich häufiger - nämlich in sieben von zehn Jahren - auftreten. Die Klimaerwärmung wird nachweislich verursacht durch die steigenden Mengen an Treibhausgasen in der Atmosphäre, erhöhte Ozon- und Feinstaubwerte. Die wesentlichen Gesichter des Klimawandels in unseren Breiten sind Hitzestress insbesondere in urbanen Hitzeinseln, aber auch Extremwetterlagen (Hitzewellen, Trockenheitsperioden und Überschwemmungen).

Zwischen drei und fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), die mit chronischen Entzündungen in der Lunge und einem zunehmenden Abbau von gesundem Lungengewebe einhergeht. Verschlechterungen der COPD – sogenannte Exazerbationen – treten in Schüben auf und gehen mit Atemnot, Husten und vermehrter Schleimbildung einher. Nicht selten werden die Symptome so schlimm, dass die Betroffenen ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. „Exazerbationen, häufen sich einerseits in der kalten Jahreszeit und anderseits an Hitzetagen“, erklärt Prof. Dr. med. Christian Witt, Leiter des Arbeitsbereichs Ambulante Pneumologie der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Aufgrund der Häufigkeitszunahme von Hitzewellen und Hitzetagen infolge der Klimaerwärmung komme es mittlerweile zusätzlich auch im Sommer zu deutlich häufigeren Exazerbationen.

Führende Klimamodelle sagen vorher, dass ab 2050 jeder zweite Sommer in Hitzewellen verlaufen wird: „Vor allem in den Großstädten, wo die Hitze sich besonders stark staut, kann dies weitreichende Folgen für Lungenpatienten haben“, warnt Prof. Dr. med. Martin Kohlhäufl, Pneumologe und einer der beiden Tagungspräsidenten des 58. DGP-Kongresses, der vom 22. bis 25. März 2017 in Stuttgart stattfand.

So sind in sommerlichen Hitzephasen Lungenerkrankungen – und nicht etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie vielleicht erwartet - der wichtigste Grund für Notaufnahmen ins Krankenhaus. Beobachtungen von COPD-Patienten während der Sommermonate zeigen, dass sehr heiße Tage von 25 Grad Celsius die körperliche Belastbarkeit und die Lungenfunktion der Lungenpatienten deutlich verringern. Bei Hitze gibt der Körper nämlich nicht nur über die Haut, sondern auch über die Lunge Wärme ab, wobei sich die Atemfrequenz leicht erhöht. „Bei COPD-Patienten, deren Lunge krankheitsbedingt bereits stark geschädigt ist, wird dieser Wärmetransport allerdings eingeschränkt: Aufgrund ihrer geringen Atemkapazität können sie ihre Atemfrequenz kaum noch steigern, sodass ein effizientes Abatmen der Wärme nur eingeschränkt funktioniert“, erläutert Prof. Witt. „Zusätzlich führt die erforderliche Muskelarbeit für die vermehrten Atembewegungen auch selbst zu einer Steigerung der Körpertemperatur. Gleichzeitig verursacht Hitze Wasserentzug (Dehydration), was u.a. auch zu einer Minderdurchblutung der Lunge führt und damit einerseits verstärkte Entzündungsprozesse in der Bronchialschleimhaut und andererseits eine größere Infektanfälligkeit der Patienten bewirkt.“

Ähnlich wie bei der COPD erwarten Experten vom Klimawandel auch häufigere Komplikationen bei Asthma-Patienten und Pollenallergikern. Denn zur reinen Hitzebelastung kommt vor allem im urbanen Innenstadtbereich noch eine zunehmende Schadstoffbelastung hinzu (40 Prozent der Luftverschmutzung sind verkehrsbedingt). Die entzündungsfördernden (proinflammatorisch wirkenden) Treibhausgase verursachen insbesondere bei älteren und chronisch lungenkranken Patienten eine bronchiale Entzündung und eine Absenkung der Schwelle, ab der sich die Bronchien reflektorisch zusammenziehen, so dass sich die Atemwege verengen, was bei Asthmatikern einen Asthmaanfall herbeiführen kann. Infolge der zunehmenden Schadstoffbelastung der Luft im urbanen Raum könnte darüber hinaus auch die Häufigkeit von Lungenkrebserkrankungen steigen.

Mit zunehmender Erwärmung und veränderten Vegetationsperioden wird auch die Pollen-Allergen-Exposition ansteigen, also die Ausbreitung von Pflanzen mit hohem allergenem Potenzial, größeren Pollenmengen und verlängerten Pollenflugzeiten (wie z.B. Ambrosia artemisiifoli). Besonders in Metropolen kann dies zu einer größeren Häufigkeit von Erkrankungen an Allergien führen. Eine weitere mögliche Folge der Erwärmung ist, dass sich heimische oder neuartige Infektionserreger zunehmend verbreiten und leichter übertragen werden (wie zum Beispiel das FSME-Virus).

Brennpunkt des Klimawandels werden die urbanen Hitzeinseln in Metropolen im Vergleich zum ländlichen Umland sein, was sich durch die weltweite Verstädterung noch verschärfen dürfte. Ursache ist die Bebauungsstruktur: Straßenschluchten und große Mengen an verkehrsbedingter Luftverschmutzung, fehlende natürliche Abkühlungsregulative wie Seen und Wälder führen zu einer Steigerung von Hitzestress. Folglich steigen bei zunehmender Urbanisierung die Zahl urbaner Wärmeinseln und die betroffenen Anteile der in den Städten lebenden Bevölkerung an.

„Lungenpatienten können sich in den heißen Sommermonaten im Krankenhaus schneller erholen, fühlen sich weniger krank, müssen weniger lang behandelt und können schneller mobilisiert werden, wenn sie in gut klimatisierten Zimmern untergebracht sind. Das zeigt eine Untersuchung der Charité - Universitätsmedizin Berlin“, berichtet Prof. Witt. „Eine andere Studie zeigt, dass sich das Exazerbationsrisiko von COPD-Patienten während Hitzestress durch Telemedizin-Monitoring deutlich senken lässt. Wir brauchen deshalb Strategien, um Lungenpatienten während der heißen Sommermonate besser zu unterstützen - beispielsweise auch durch eine zusätzliche telemedizinische Betreuung.“ So könne der Zustand der Patienten rund um die Uhr – auch zu Hause – beobachtet werden, so dass der Arzt bei einer drohenden Verschlechterung schneller eingreifen kann. „Die Grundlagenforschung und klinische Forschung sind darauf auszurichten, mehr über den Zusammenhang von Klimaveränderung und Krankheitsverlauf zu erkennen, um u.a. eine verbesserte Pollenflugvorhersage für Allergiker, eine bessere Kontrolle über Infektionserreger - vor allem solche, die durch Stechmücken übertragen werden - und Impfstoffe gegen diese entwickeln zu können“, fasst Prof. Kohlhäufl zusammen.

Quelle: Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) am 15.3.17 in Berlin

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