Laufende Nase, tränende Augen: Menschen, die an Gräserpollenallergie leiden, freuen sich nicht auf den Spätfrühling, wenn die Gräser blühen. In der westlichen Welt ist jede dritte Person allergisch auf Gräserspollen, die sich ungefähr von Anfang Mai bis Mitte Juli mit dem Wind ausbreiten. Die einzige wirksame ursächliche Behandlung gegen Heuschnupfen besteht darin, die überschießende Abwehrreaktion der Allergiker mit einer so genannten allergen-spezifischen Immuntherapie zu normalisieren. Diese Therapie nehmen jedoch höchstens fünf Prozent der Betroffenen in Anspruch, denn sie dauert mehrere Jahre, setzt Dutzende Injektionen und Arztbesuche voraus und kann u.U. – wenn auch glücklicherweise nur sehr selten – lebensbedrohliche Schockzustände bewirken. Jetzt berichten Forscher vom Universitätsspital Zürich, dass ein Pflaster mit Pollenextrakten die Beschwerden bei Heuschnupfen um 70 Prozent lindern kann (siehe Journal of Allergy and Clinical Immunology, Online-Vorabveröffentlichung am 14.10.2011).
Gabriela Senti vom Universitätsspital Zürich arbeitete gemeinsam mit einem Team von Ärzten und Forschenden an dieser neuen Behandlungsmöglichkeit: ein Pflaster, das die Allergene von sechs verschiedenen Gräserpollen in die Haut einbringt. Ein klinischer Versuch mit 132 von Heuschnupfen betroffenen Personen hat aufzeigt, dass dieses Pflaster einen effizienten und sicheren Ansatz darstellt. Sechs eintägige Anwendungen am Oberarm, verteilt auf zwei Monate bevor sich die Gräserpollen ausbreiten, genügten, um die Symptome der Patienten auch noch im Folgejahr im Schnitt um 70 Prozent zu lindern. Pflaster mit weniger oder gar keinem Pollenextrakt linderten die Symptome der Patienten in den Vergleichsgruppen um 30 Prozent. In keiner Patientengruppe waren schwerwiegende Nebenwirkungen zu beobachten.
Für Senti und ihre Kollegen sind diese ermutigenden Resultate auf zwei Eigenschaften der Haut zurückzuführen. Erstens weist diese viele Immunsystem auf, die rasch Fremdkörper wie etwa Viren erkennen und eine gezielte Abwehrreaktion auslösen können. Wer solche Abwehrreaktionen gegen die eigentlich harmlosen Pollenallergene mit einer allergen-spezifischen Immuntherapie zähmen möchte, findet in der Haut also einen idealen Trainingsort für das Immunsystem vor.
Zweitens gibt es in den äußeren Hautschichten keine Blutgefäße. Das senke das Risiko, dass die Allergene in den Blutkreislauf gelangten und so genannte systemische Abwehrreaktionen hervorriefen, bei denen das Immunsystem im ganzen Körper durcheinandergerate und einen allergischen Schock auslöse.
Noch ist die Behandlung nicht reif für den Einzug in den klinischen Alltag. Um etwa zu ermöglichen, dass die Pollenallergene in die Haut eindringen und mit den Immunzellen der äußeren Hautschichten in Kontakt treten, tragen Senti und ihre Kollegen die darüberliegende Hornhaut mit einem Klebeband ab – ein Verfahren, mit dem sie nicht immer optimale Resultate erzielen und das sie deshalb verbessern möchten. Sind diese Hindernisse ausgeräumt, könnte Senti zufolge im Kampf gegen die neue Epidemie unserer Zivilisation, den lästigen Heuschnupfen, endlich ein einfaches Mittel zur Verfügung stehen.
Quelle: Universitätsspital Zürich